Die Trolle
Sunasrepräsentierte. So stand der Tempel, dem Sten sich näherte, einsam und abgeschirmt am Marktplatz.
In seiner Kindheit war er natürlich des Öfteren in dem Tempel des Albus Sunasgewesen und hatte dort auch die Mitglieder des Ordens gesehen. Von allen Untertanen der Masriden wurde erwartet, dass sie den Glauben an das Göttliche im Himmel übernahmen und den alten Göttern und Geistern des Landes abschworen.
So war auch Stens Familie offiziell dem Glauben der Masriden gefolgt, wenngleich Stens Mutter ihren Kindern häufig von den alten Göttern und ihren Sagen erzählt hatte.
Mit einem Lächeln erinnerte sich Sten daran, wie sehr ihn seine Besuche in dem Tempel zu Dabrân beeindruckt hatten – die gewaltige Kuppelhalle, durch deren Öffnungen das Licht der Sonne schien und den ganzen Saal in strahlendes Licht tauchte. Die dröhnende Stimme des Priesters, die aus allen Richtungen zugleich zu kommen schien, und all die Menschen, welche die Glaubensformeln im Gleichklang wiederholten.
Aber dann hatte man Sten aus seiner Heimat vertrieben, hatte ihr Land gestohlen, seine Eltern getötet. Und der Priester des Albus Sunashatte auf dem Marktplatz von Teremi eine Rede über die Unterwerfung unter das Göttliche Licht und über die gerechte Ordnung gehalten. Das hatte man Sten erzählt, während Házy und dessen Spießgesellen Sitei cal Dabrân an den Pfahl gebunden und den Flammen übergeben hatten, für Verbrechen, die er nicht begangen hatte. Die Erinnerung legte sich wie eine eisige Hand um Stens Herz, als sein Blick auf die dunklen Stellen vor dem Tempel von Teremi fiel, auf die rußgeschwärzten Pflastersteine, die Zeugen und Beweis für all die Opferfeuer waren, die auch in Teremi brannten. Opferfeuer und die Flammen der Scheiterhaufen, dachte der Wlachake grimmig, als er die Stufen empor in den Tempel schritt, in dessen großer Halle sich die Gläubigen schon versammelt hatten.
Auch der Tempel von Teremi war beeindruckend, vor allem, wenn man so wie Sten noch niemals dort gewesen war. Er war sicherlich doppelt so groß wie der Tempel von Dabrân, und seine Wände ragten ein Dutzend Schritt empor, bevor sie in der Kuppel aufgingen. Auch im Inneren hatte der Albus Sunasjede Handbreit der Wände mit weißer Farbe bedeckt, und der Tempel wurde Tag und Nacht von hunderten von weißen Kerzen und Lampen aus goldenem Metall erhellt. Vom Zentrum der Kuppel hinab hing eine gewaltige goldene Sonnenscheibe, die in der Luft zu schweben schien und das Licht der Kerzen reflektierte. In der Kuppel selbst waren geschickt Öffnungen platziert, welche das Licht der Sonne in den Saal lenkten und ihn taghell erleuchteten, wenn diese aufgegangen war.
Unter der mächtigen Sonnenscheibe stand ein Kreis von Priestern des Albus Sunasund intonierte einen tiefen vielstimmigen Gesang, der die gesamte Halle erfüllte. Die Besucher hatten sich ebenfalls in einem Kreis um die Priester versammelt und knieten mit gesenkten Häuptern nieder, um ihre Demut vor dem Göttlichen Licht zu zeigen.
Schnell trat Sten an die hinterste Reihe der Gläubigen heran und tat es ihnen gleich, wobei er jedoch die Priester nicht aus den Augen ließ. Es waren neun, und mehr als die Hälfte waren Masriden, aber es gab auch einige Wlachaken unter ihnen, die Sten an den dunkleren Haaren zu erkennen glaubte. Den Vorschriften ihres Ordens nach hatten sie alle ihr Gesichtshaar geschoren, ließen aber ihr Haupthaar lang wachsen und trugen es zum Zopf gebunden. Auch bei ihren Gewändern herrschte reines Weiß vor, nur unterbrochen von den goldenen Schärpen, die sie um die Leiber geschlungen hatten, und den großen, goldenen Sonnenscheiben um ihre Hälse.
Noch während die Priester sangen, erreichten die ersten Strahlen der Sonne die Halle und tauchten die Männer des Albus Sunasin ein geradezu überirdisches Licht. Ihre Kleidung erstrahlte hell genug, um Sten blinzeln zu lassen, und trieb ihm die Tränen in die Augen, sodass er den Blick abwenden musste.
Schlagartig erinnerte er sich an den getöteten Priester in Orvol, den Druan regelrecht zerfleischt und beinahe gefressen hatte. Das Herz des Wlachaken begann heftig zu schlagen, und sein Atem ging stoßweise. Der Gott der Masriden war stark, seine Priester konnten viele Wunder wirken. Vielleicht war es ein Fehler, in sein Haus zu gehen, womöglich zürnte das Göttliche Licht über den Tod seines Dieners und würde Sten nun bestrafen. Jeden Augenblick mochte Feuer aus dem Himmel regnen und ihn vernichten. Bei
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