Die Trolle
alles Leben aus seinen Adern gewichen und er sei wenig mehr als eine leere Hülle, doch mit dem Ziel vor Augen, Costin das Entkommen zu ermöglichen, kehrten seine Lebensgeister zurück. Entschlossen sah er die Gefährten an, die seinen Blick grimmig nickend erwiderten. Langsam zog Sten die Klinge und hielt sie vor seine Augen, jede Einzelheit der Waffe in sich aufnehmend, die er bei seinem Tode führen würde.
»Für Tirea«, flüsterte er heiser, und die beiden anderen Wlachaken taten es ihm gleich.
»Bedenkt eure Taten!«, rief der Sonnenpriester plötzlich. »Ergebt euch, beendet dieses Blutvergießen!«
»Sei still, Vorbs«, sagte Sten, doch ohne Schärfe in der Stimme, als die Wlachaken sich daranmachten, die Barrikade möglichst leise zu entfernen. Gerade als sie den umgestürzten Schrank zur Seite geschoben hatten, schallte Zorpads Stimme durch den Hof: »Ihr seid eingeschlossen! Ihr könnt weder fliehen noch kämpfen! Ergebt euch!«
Sten sah Natiole an, der sich mit dem Finger über die Kehle fuhr.
»Fahr zu den Dunkelhöllen, Zorpad!«, schrie Sten und ignorierte den Hinweis seines Freundes, der das Gesicht ergeben verzog. Es folgte ein kurzes Wortgefecht, aber dann packte Natiole Sten an den Schultern, bevor dieser auf Zorpads letzte Drohung reagieren konnte.
»Was soll das?«
»Je wütender er auf mich ist, je mehr er seine Krieger auf mich konzentriert, desto besser sind Costins Aussichten«, erklärte Sten ruhig. »Zorpad ist es gewohnt, dass sein Wort Gesetz ist, und er hasst Widerspruch.«
»Ein blendender Plan, wirklich, wahrhaft genial«, lachte Natiole.
»Es ist im Grunde egal. Wir sind so gut wie tot, Nati, Worte können uns nicht mehr verletzen.«
»Immer ein aufmunterndes Wort auf den Lippen«, meinte Natiole gespielt munter und brachte Sten so zum Lachen. Doch dann erklang eine Stimme, die sie beide zusammenfahren ließ.
»Sten!«, rief Viçinia cal Sares, Geisel an Zorpads Hof und Schwester der Löwin von Désa. Ihre Stimme hallte laut und verriet, wie verzweifelt die junge Frau sein musste. Wie vor den Kopf gestoßen, sah Sten Natiole an, dann rief er fragend zurück.
»Viçinia?«
»Sten, kämpfe, ergib dich nicht!«, kam die Antwort, gefolgt von einem Schmerzenschrei, der Sten durch Mark und Bein fuhr.
»Viçinia! Viçinia!«, schrie der junge Wlachake wie von Sinnen, doch nur Zorpads kaltes Lachen antwortete ihm.
»Du Hund, ich reiße dir dein schwarzes Herz heraus!«, brüllte Sten drohend und packte sein Schwert fester, doch Natiole hielt ihn am Arm fest, als er zur Tür stürmen wollte.
»Ihr Leben liegt in deiner Hand, Sten cal Dabrân! Ergebt euch, legt die Waffen nieder, und ich verschone sie! Kämpft, und ihr tötet alle Wlachaken in meiner Burg, so sicher, als stießet ihr selbst ihnen die Klingen in die Herzen!«
Wütend starrte Sten Natiole an, der ihn immer noch festhielt, aber sein Freund schüttelte den Kopf.
»Es hat keinen Sinn, da jetzt rauszurennen, Sten.«
»Wir müssen etwas tun! Er wird sie umbringen!«, erwiderte der junge Krieger flehentlich.
»Was willst du tun? Dir den Weg zu ihr freischlagen?«
»Diesen Kampf können wir nicht gewinnen. Es gibt nur einen Weg, ihr Leben zu retten!«
»Du willst dich ergeben?«, fragte Natiole. »Nur …«
»Ich will Zorpad die Kehle rausreißen und zusehen, wie er an seinem eigenen Blut erstickt!«, erwiderte Sten hitzig, nur um dann leiser fortzufahren. »Aber ich werde das nicht mehr erleben.«
»Er wird sie töten, so oder so!«, warf Costin ein. »Ihr kennt ihn, wenn es Krieg gibt …«
»Ich kann sie nicht gefährden«, entgegnete Sten traurig. »Ich kann und will nicht die Schuld an ihrem Tod tragen.«
Verstehend nickte Natiole und legte Sten die Hand auf die Schulter: »Wir sehen uns auf den dunklen Pfaden wieder, Bruder.«
Dankbar legte Sten seine Hand auf Natioles und drückte sie kurz, bevor er Costin ansah: »Es tut mir Leid.«
Der kleine Wlachake winkte trotzig ab: »Euer Plan war sowieso zum Scheitern verurteilt. Ich war nur zu höflich, es euch zu sagen. Lino ist tot, Aurela auch, und ich werde mich bald zu ihnen gesellen. Ich bin stolz, mit solchen Gefährten zu sterben.«
Mit einem letzten Nicken zu seinen Freunden biss Sten die Zähne zusammen, stieg über den zerbrochenen Stuhl zur Tür und öffnete sie. Nach der Helligkeit des von unzähligen Kerzen erleuchteten Tempels konnte er in dem düsteren Burghof wenig mehr als Schemen erkennen, als er hinaus in die kühle Nachtluft trat. Halb
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