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Die Trolle

Die Trolle

Titel: Die Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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gemessenen Schrittes aus dem Besprechungszimmer, sorgsam darauf bedacht, keine Gefühle zu zeigen. Aber in ihren Gemächern angekommen, schlug sie mit der Faust gegen die Wand und fauchte: »Meine Pflicht! Was denkt sie, was ich tue? Wie kann sie es wagen …«
    Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihren Wutausbruch, und sie strich sich mit einer herrischen Geste die Haare aus dem Gesicht.
    »Herein!«
    Vorsichtig wurde die Tür geöffnet, und Flores spähte durch den Spalt. Mit fragender Miene schritt sie in den Raum und sah Viçinia an. Ohne etwas zu sagen, warf sie sich auf einen niedrigen Diwan und betrachtete angelegentlich ihre Hände.
    »Ionna!«, empörte sich Viçinia. »Sie will mich an irgendwen verheiraten, um ein Bündnis zu schaffen!«
    »Was? An wen?«, fragte Flores nach, aber Viçinia zuckte mit den Schultern.
    »An den Herrn des Valedoara. An Laszlár Szilas.«
    Flores pfiff durch die Zähne. »Eine Bündnisheirat, ja? Und wirst du zustimmen? Oder verkauft Ionna den Pelz eines Bären, der noch im Wald ist?«, erkundigte sich Flores.
    Viçinia sah die Kriegerin verwirrt an: »Was?«
    »So sagt man im Cireva. Kennst du den Ausdruck nicht?«, fragte Flores, und als Viçinia den Kopf schüttelte, erklärte sie: »Etwas versprechen, was man gar nicht hat. Einen Bärenpelz eben, den man noch nicht erjagt hat.«
    »Ich verstehe, schon gut«, erwiderte Viçinia ärgerlich. »Was soll ich schon tun? Du weißt so gut wie ich, dass wir Verbündete brauchen.«
    »Möglich. Aber es gibt immer andere Möglichkeiten.«
    »Und welche?«
    »Ich gehe fort. Kein Krieg, kein Land, keine Verpflichtungen«, erläuterte Flores ruhig. Für ein paar Herzschläge stellte sich Viçinia vor, wie sie mit Sten einfach weglief, alles hinter sich ließ und ein neues Leben begann. Doch dann holte die Wirklichkeit sie wieder ein. Ich habe meine Verantwortung und er auch. Keiner von uns würde unsere Freunde und Familie im Stich lassen. Nein, das wird niemals geschehen, gestand sich die Wlachakin traurig ein.
    »Nein, du wirst nicht gehen«, sprach Flores ihre Gedanken aus. »Ich kann es in deinen Augen sehen.«
    »Es geht nicht. Zu viel steht auf dem Spiel«, erwiderte Viçinia leise.
    »Vielleicht. Es ist gleich, Viçinia. Du lebst dein Leben und ich das meine.«
    »Ja«, erwiderte die Wlachakin und fragte: »Weißt du, was mit Suhai ist? Wie geht es ihm?«
    Traurig schüttelte Flores den Kopf: »Es sieht nicht gut aus. Livian wird den Arm amputieren, aber selbst so … Sie weiß nicht, ob er es schafft.«
    »Er hat versucht, mir zu helfen, als Zorpad mich töten wollte.«
    »Ich weiß. Die Heiler geben ihr Bestes. Wir können nur abwarten.« Damit erhob sich Flores und ging steif zur Tür. Besorgt sah ihr Viçinia nach, aber bevor ihre Freundin die Gemächer verließ, drehte sie sich noch einmal um und zwinkerte ihr zu. »Sei nicht traurig. Wer weiß schon, was die Zukunft bringen wird? Es kann noch viel geschehen, und vielleicht gibt Ionna nach.«
    »Ionna und nachgeben?«
    »Stimmt. Eher wird Zorpad seine Würden niederlegen und Bettelpriester werden«, flachste Flores, und Viçinia lachte auf.
    »Danke«, flüsterte die junge Adelige. Dann verließ Flores sie und schloss die Tür hinter sich.

 
49
    Ein leiser Lufthauch fuhr Sten über das Gesicht und ließ ihn frösteln. Ungewollt wurde er von dunklen Ahnungen ergriffen, und sein Herz begann zu rasen. Die Wände schienen zu wanken, und der Tunnel kam ihm vor wie der geöffnete Rachen eines Ungeheuers, bereit, sie alle zu verschlingen. Seine Arme fühlten sich schwach und kraftlos, und beinahe wäre ihm das Schwert aus den verschwitzten Händen geglitten.
    »Ich … vielleicht warte ich besser hier«, keuchte Sargan und wischte sich mit dem Handrücken Schweiß von der Stirn.
    »Ein dunkler Ort«, flüsterte Sten erstickt, und sein Blick fiel auf die Trolle, die ihn seltsam ansahen. Was wollt ihr? Wollt ihr mich auch auffressen?, hätte er beinahe geschrien. Doch kein Laut kam über seine Lippen.
    »Was ist mit dir?«, fragte Druan besorgt und starrte Sten ins Gesicht, der den Anblick der dunklen Augen des Trolls plötzlich nicht mehr ertragen konnte und sich abwandte.
    »Was?«, erkundigte sich Pard verwirrt, als er sah, wie Sargan einige Schritte zurückwich, ohne dabei den Eingang in den Tunnel aus den Augen zu lassen – gerade so als erwarte der Dyrier, dass jeden Augenblick eine Bestie daraus hervorstürmen werde.
    »Spürt ihr es nicht?«, stöhnte Sten und schüttelte

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