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Die Trolle

Die Trolle

Titel: Die Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Worte, edle Viçinia. Sichere Wege!«
    Dann wandte er sich abrupt ab und stürmte aus der Tür hinaus. Im Hof der Burg warteten bereits seine Späher, mit denen er sich nach Teremi begeben würde. Hastig schritt er durch die Korridore der Feste und dachte: Es ist besser so. Ich ziehe in den Krieg, und sie heiratet einen anderen. Aber wenn es das Beste für uns beide ist, warum fühle ich mich dann im Herzen tot?

 
53
    Wie Schmerzen erschienen ihm mittlerweile wie ein ständiger Begleiter und dienten ihm als Erkennungsmerkmal für die Zeiten, in denen er wach war und nicht träumte. Inzwischen hatte er sich an die immer währende Pein gewöhnt, akzeptierte sie als Teil seines Seins und begrüßte beinahe ihr dumpfes Dröhnen in seinem Leib, das ihn davon überzeugte, dass er noch am Leben war.
    Die Welt um ihn herum nahm er wie durch viele Lagen von Stoff wahr, gedämpft, fern, so als ob sie keinen Einfluss auf ihn und sein Schicksal hätte. Nur er und sein Schmerz schienen von Bedeutung zu sein. Manchmal fragte er sich müßig, wer er sei, wie sein Name lautete, doch stets verblassten die Fragen wieder und versickerten in seinen Träumen.
    Ohne ein Gefühl für Zeit dämmerte er vor sich hin, übergangslos in wirre Träume abgleitend, in denen riesige Ungeheuer Menschen fraßen und Ströme von Blut vergossen. Selbst wenn er erwachte und die Augen öffnete, blieb seine Welt dunkel und schwarz. Bin ich blind?, fragte er sich schläfrig, doch nicht einmal der mögliche Verlust seines Augenlichtes konnte Gefühle in ihm wecken.
    Manchmal spürte er andere Wesen um sich herum, vernahm ihre Stimmen, doch konnte er ihren Worten keinen Sinn entnehmen. Kalte, bittere Flüssigkeiten wurden ihm eingeflößt, manchmal auch warme, würzige, die er gleichgültig hinunterschluckte. Häufig zitterte seine Welt, ein Rumpeln drang an sein Ohr, und er spürte kühle Luft an seinem Gesicht oder die zart wärmenden Finger der Sonne. Dann dachte ein Teil seines Geistes: Du bist draußen, das sind Wind und Sonne. Aber auch dieser Gedanke berührte ihn nicht wirklich, und schon bald fand er sich in seinen Traumgesichten wieder, in denen ebenfalls Dunkelheit herrschte. So trieb er vor sich hin wie in einem dunklen, farblosen Meer von Gleichgültigkeit, tief unter der Oberfläche, fern von allem.
    Mit der Zeit aber begann sein Geist emporzusteigen, näherte sich dem Licht, und die Schmerzen drangen scharf in sein Bewusstsein ein und entrangen seiner Kehle ein Ächzen. Höher und höher stieg er auf, und seine Erinnerungen kehrten zurück. Sargan, mein Name ist Sargan, zuckte es urplötzlich durch seine Gedanken, dann brach er durch die Oberfläche, und ein Licht drang an seine Augen, hell, strahlend, schmerzhaft. Schwach versuchte er, die Augen mit den Händen zu bedecken, doch seine Arme gehorchten ihm nicht richtig. Verzweifelt legte er den Kopf zur Seite und stöhnte, und wie zur Antwort wurde ein Streifen leichten Stoffs über seine Augen gelegt, welcher das Licht dämpfte und erträglicher machte.
    »Ganz ruhig, mein Freund. Du hast lange geschlafen«, ertönte eine tiefe, angenehme Frauenstimme an seinem Ohr. Verwirrt versuchte Sargan zu verstehen, was mit ihm vorging und wo er sich befand. Doch seine letzten Erinnerungen kreisten um Trolle und Rebellen, ein plötzliches, grausam helles Licht und schließlich Finsternis. Er wollte die Stimme fragen, aber seine Kehle war trocken und der Mund wie ausgedörrt. Mit großer Anstrengung brachte er ein Wort hervor: »Wasser!«
    Kühles Nass rann über seine Lippen und drang in seine schmerzende Kehle. Gierig trank er, doch war er zu hastig und verschluckte sich. Der Husten trieb glühende Wellen des Schmerzes durch seinen Körper, seine Brust verkrampfte sich, und er fürchtete zu ersticken.
    Eine starke Hand hob seinen Kopf und den Oberkörper an, bis der Husten nachließ. Sanft wurde er wieder auf sein Lager gebettet. Schwer atmend lag Sargan auf dem Rücken und zwinkerte die Tränen aus seinen Augen. Langsam kehrten Formen in sein Gesichtsfeld zurück; wo er vorher nur helles Licht gesehen hatte, bewegten sich nun Schatten und dunkle Felder.
    »Mehr?«, fragte die Stimme, und Sargan nickte schwach. Diesmal trank er vorsichtiger, in kleinen Schlucken, von denen jeder seine Lebensgeister mehr und mehr zu beleben schien.
    »Genug, genug«, lachte die Stimme melodiös. »Nicht, dass du deinen Magen verkühlst.«
    Immer noch nicht sicher, in welcher Lage er sich gerade befand, gab Sargan nach.

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