Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
Kosmetikerin stopfte sie sich wie ein Hamster so viele Sahnetrüffel in den Mund, dass weitere Dehnungsbehandlungen an den Wangen eigentlich gar nicht notwendig gewesen wären. May machte heimlich ein Foto von ihr, wie sie mit trüffelgeblähten Backen vor dem Schminkspiegel saß und ihren Text durchging. Dass man dieses Foto später ohne ihre Einwilligung sendete, fand sie zwar weniger originell, aber die Zuschauerreaktionen waren so positiv, dass sie den Ärger schnell wieder vergaß.
Innerhalb weniger Tage hatte Melanie weitere sechs Pfund zugenommen, wie sie an der von May in ihrem Büro aufgestellten Waage feststellen konnte, und wenn sie nicht den Mittwochabend genutzt hätte, um sich bei Macey’s mit ein paar neuen Kleidungsstücken auszustatten, hätte sie weiterhin mit dem aus einer Sicherheitsnadel und einem Einmachgummi improvisierten Rockbundverschluss herumlaufen müssen.
Ihre Mutter hatte überglücklich aus Afrika angerufen, um ihr zu berichten, dass die beiden Colliers wohlbehalten angekommen seien und sie nun wieder ruhig schlafen könne.
Thomas hatte ihr eine Nachricht auf dem Handy hinterlassen, mit der er sie in militärisch knappen Worten und wie von einem Handzettel abgelesen klingend aufforderte, umgehend den Schlüssel für seine Wohnung zurückzuschicken.
Seine offensichtliche Sorge, sie könne in seiner Abwesenheit noch einmal seine Wohnung heimsuchen, fand sie besonders lächerlich. Weder Thomas’ keimfrei gesprühtes Bad noch die Schränke und Schubladen, in denen sich die Socken, Unterhosen und Handtücher wie mit dem Maßband ausgemessen und nach Mustern und Farben geordnet akkurat aneinanderreihten, stellten eine derartige Verlockung für sie dar, dass sie deswegen extra von New York nach Frankfurt fliegen würde.
Harry Shinder war viereinhalb Stunden wegen eines Nervenzusammenbruchs ausgefallen, weil ein, wie er es nannte, reaktionäres, gottverdammtes, verfluchtes, gewissenloses, widerwärtiges Schwein seinen Jacco mit grellroter Farbe besprüht hatte. Harry war fassungslos über so viel Unmenschlichkeit und verbrachte die Abende bis zur Sendung vor jeweils wechselnden Regalen in seinem Weinkeller in Gesellschaft der Weine, die am meisten Trost verhießen, weil er nicht wusste, wie er mit dem Entsetzen über die Demütigung, die man Jacco angetan hatte, fertig werden sollte.
Er würde nie vergessen, wie er in Feierabendlaune ein fröhliches Liedchen pfeifend auf Jacco zuschlenderte, dessen Scheinwerfer ihm keck zuzublinzeln schienen wie ein flirtendes Mädchen, sodass er ihm gut gelaunt einen Klaps auf die kokett entgegengestreckte Flanke gab.
Und wie er dann die riesigen Buchstaben sah, die sich in aggressivem Rot quer über die Fahrerseite zogen: Fuck you, Shinder!
Anschließend nahm er eine Sitzung beim berühmtesten Traumatherapeuten New Yorks, der ihm kurz zuhörte, um dann den Rest der Dreihundert-Dollar-Stunde damit zu verbringen, Harry von seinem limonengrünen Lamborghini namens Carlos vorzuschwärmen und schließlich schluchzend sein eigenes Trauma preiszugeben: Kinder hatten seinen Carlos mit Schaumküssen »verziert« und ihn so der Lächerlichkeit und dem Gespött seiner neidischen Nachbarn preisgegeben.
Die Ausgabe hatte sich gelohnt - Harry war nach dieser tränenreichen Beichte seines Therapeuten auf wundersame Weise schlagartig von seinem eigenen Trauma geheilt und stellte Jacco von nun an nur noch in der rund um die Uhr überwachten Tiefgarage des Senders ab.
* * *
Die Auswahl der richtigen Garderobe, die selbstverständlich von George Glamour gesponsert wurde, erwies sich als schwieriger als erwartet, weil Melanie und May sich trotz der Identifikation mit Glamours Schönheitsideal noch nicht wirklich mit den voluminösen, Pfunde multiplizierenden Gewändern anfreunden konnten, auch wenn die Muster und Farben teilweise durchaus attraktiv waren. Leider war aber eine der Bedingungen Glamours gewesen, dass die Moderatorinnen Stücke aus seiner Kollektion trugen, und da sie nicht in Dessous auftreten wollten, hatte die einzige akzeptable Lösung darin bestanden, dass die herbeigeeilte Schneiderin mit unsichtbar angebrachten Abnähern und gekonnten Faltenwürfen die Kleider wenigstens einigermaßen für sie tragbar machte.
May und Melanie waren objektiv betrachtet ganz einfach noch zu dünn für Glamours stoffreiche Creationen.
Glamour war zwar kein begabter Modeschöpfer, aber sein ausgeprägter Hang zu einem Leben, das ihm alle nur denkbaren
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