Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
hab’ doch die Hefte in deinem Schreibtisch gesehen, als ich neulich die Innenfächer ausgewischt habe. Richtig pralle, stattliche Weiber mit Brüsten wie Melonen und Hintern wie Brauereigäule! Gib’s ruhig zu, ist doch nichts dabei!“
Sie tätschelte ihm freundlich den Arm, aber es war Harry sichtlich peinlich, dass Gladys seinen Frauengeschmack vor allen so offen auf den Tisch gelegt hatte.
Er war nicht erst seit der Glamourwelle ein Liebhaber üppiger Frauen. In der Pubertät hatte er heimlich Fotos von kurvenreichen Hollywooddiven wie Rita Hayworth und Jane Russel aus Zeitungen ausgeschnitten und in ein mit rosa Herzen bemaltes Album geklebt, in dem er jeden Abend vor dem Einschlafen blätterte, bis es ihm vor Müdigkeit aus der Hand fiel.
Schon damals hatte er auf das vorherrschende Schönheitsideal gepfiffen, das überall von Plakatwänden, aus Zeitschriften und dem Fernseher lächelte, und er hatte sich vorgenommen, nur mit Frauen ins Bett zu gehen, die wussten, wo der beste Schinken hängt, wie er das auszudrücken pflegte.
Harry konnte jeden einzelnen Satz, den Glamour von sich gegeben hatte, nur unterstreichen. Es ging nichts über einen Frauenkörper, der den Augen und Händen eines Mannes eine abwechslungs- und kurvenreiche Hügellandschaft bot. Dass er trotzdem immer nur mit superschlanken Modeltypen gesehen wurde, war reines Kalkül, denn er kannte das Geheimnis der männlichen Macht: Um den Neid und die Bewunderung seiner Geschlechtsgenossen auf sich zu ziehen und um den Eindruck zu vermitteln, man sei der Größte, musste man sich mit dem umgeben, was der Allgemeinheit als besonders schön, begehrens- und besitzenswert verkauft wurde. Im Grunde war es gar nicht entscheidend, wie die Frauen aussahen, sondern nur, dass sie als Schönheitsideal auf den internationalen Laufstegen aufgetaucht waren – der Catwalk war so etwas wie ein heiligender Ort, der auch zwangsernährungsbedürftige hohlwangige Spottbilder einer Frau mit dem Nimbus des Besonderen und der Schönheit versah und sie damit zu einem begehrenswerten Symbol der männlichen Macht machte. Wer es besaß, war allmächtig und potent.
Deshalb legte Harry Wert darauf, mit solchen Frauen gesehen zu werden, aber er legte mit Jacco oft viele Meilen zurück, um irgendwo in der Anonymität einer schummrigen Bar einem üppigen Prachtweib einen Zettel mit seiner Hotelzimmernummer zuzuschieben, wenn er den Eindruck hatte, dass sie sich für ihn interessierte.
„ So, und jetzt raus hier, ich hab’ in fünf Minuten Feierabend und muss vorher noch alles auf Hochglanz bringen!“
Gladys kurvte mit ihrem Schrubber solange erbarmungslos vor den Füßen der vier über den Boden, bis sie keinen anderen Ausweg mehr sahen, als das Feld zu räumen.
Harry schnappte sich Barry, um noch ein paar Informationen über einen am Vortag passierten Regiefehler herauszupressen, und May und Melanie zogen sich mit zwei riesigen sahnegefüllten Donuts aus der Kantine in ihr Büro zurück, um eine wichtige Ergänzung der seit einer Woche laufenden Ankündigung der neuen Talkshow durchzusprechen.
Währenddessen beobachteten Kinder, die auf dem Parkplatz des Senders Verstecken spielten, wie sich ein Mann in Trenchcoat und Hut immer wieder verstohlen umsah, während er sich an einem grünen Jaguar zu schaffen machte.
Kapitel 10
Das Geheimnis von Narziss
Die wenigen Tage bis zum Start der Sendung vergingen für Melanie wie im Flug mit endlos wiederholten Moderationsproben und der Tauglichkeitsprüfung neuer Ideen, die mehrmals täglich Harrys, Mays und Melanies Brainstormings entsprangen wie Frösche einem nach langer Zeit endlich aufgedeckten Brunnen. Zwischendurch ließ sie immer wieder eine in den neuesten Aging-Techniken geübte Kosmetikerin dehnen, fälteln und kneten, was die Haut aushielt, und schaffte es irgendwie auch noch, mehrere Telefonate mit ihrem Sender in Frankfurt zu führen, wo sie von Tom so erbarmungslos ausgequetscht wurde wie eine Zitrone, aus der man auch noch den letzten Tropfen herauspressen wollte. Er konnte einfach nicht glauben, was sie da über einen „neuen Schönheitstrend“ erzählte, und ließ sich die ganze Geschichte bei jedem Anruf aufs Neue haarklein berichten.
Irgendwann hatte Melanie ganz einfach genug davon, und sie einigten sich schließlich darauf, dass sie erst wieder telefonieren würden, wenn sie ihre erste Sendung hinter sich gebracht und wieder einigermaßen Luft zum Atmen hatte.
In den Probenpausen und bei der
Weitere Kostenlose Bücher