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Die Trugburg

Die Trugburg

Titel: Die Trugburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Alles war von der gleichen Hand bemalt und abstoßend.
    »Tallia«, flüsterte Mythor.
    Wie paßt sie in diese häßlichen Mauern hinein? Was hat sie hierhergelockt, und welche Art von Macht besitzt Eroice über sie?
    Er erhielt keine Antwort. Hatte Eroice sie bestraft? Stumm gemacht oder gar getötet?
    Plötzlich aufsteigender Zorn trieb den Mann ohne Erinnerung voran. Der Gang machte einen Knick. Eine breite Marmortreppe mit fremdartig verzierten Geländern und Säulen führte sowohl höher hinauf, als auch hinab in eine große Halle. Mythor drückte sich an einen Deckenstützpfeiler, als er den Mann unten an einem runden Tisch sah.
    »Was hast du?« fragte Gesed.
    Die Maske hing zu tief am Gürtel, um über das Geländer blicken zu können.
    »Ein Kerl«, flüsterte Mythor. »Kein Mangokrieger, aber auch nicht der xandorische Bruder der Hexe. Er sieht jung aus und scheint sich hier zu Hause zu fühlen.«
    Mythor überlegte, ob er versuchen sollte, den Unbekannten anzuschleichen und ihn zu überwältigen. Er war bereits davon überzeugt, daß er ihm sagen konnte, wo Tallia gefangengehalten wurde, als das geschah, worauf er bisher vergeblich gehofft hatte.
    Er sah noch, wie der Jüngling, der ihm den Rücken zuwandte, einen silbernen Weinpokal hob und an die Lippen führte. Er tat es so, als würde er ein ganz besonderes Ereignis feiern, und auf dem Tisch standen zwei Körbe mit Früchten, wie sie im Wald zu finden waren. Er hörte noch einen Rülpser – und dann Tallias flehende Flüsterstimme.
    »Mythor!« rief sie. »Hier bin ich!«
    Er machte zwei Schritte zurück, um von dem Fremden nicht mehr gesehen werden zu können, und drehte sich langsam. Tallia war nicht da.
    »Hier!« hörte er. »In den Wänden! Eroice hat mich zur Strafe für meine Flucht und meinen Gesang in die Wände ihrer Burg gehext! Du hast dein Versprechen nicht vergessen?«
    Er schüttelte heftig den Kopf.
    »Dann befreie mich aus ihrem Bann, Mythor! Nur indem du die Hexe tötest, kannst du mir helfen. In dem Augenblick, in dem ihr Leben verlischt, werde ich vor dir stehen – und dir für immer gehören.«
    Ihre Worte verwandelten sich in Bilder, und Mythor sah sich Seite an Seite mit ihr. Sie war noch schöner als bei ihrer Begegnung im Wald. Sie war voller ungezügelter Leidenschaft, Engel und reife Frau, wie er noch keine gesehen hatte.
    Und nun kannte er kein Zurück mehr. Er mußte sie besitzen!
    »Wirst du das für mich tun, Mythor? Für uns?«
    Er nickte heftig. Von unten waren Schritte zu hören.
    »Ich weise dir den Weg zu Eroices Gemächern«, flüsterte es schnell aus den Wänden. »Folge nur meiner Stimme. Du wirst die Hexe schlafend antreffen, und dann zögere keinen Herzschlag lang!«
    Mythor ging zur Treppe zurück und sah den Mann gerade noch aus der Halle verschwinden.
    Er spannte bereits die Muskeln an, um zum nächsten Stockwerk hinaufzulaufen, als er glaubte, etwas griffe mit eisigen Klauen nach seinem Herzen.
    Er hatte in diesem Moment das Gefühl, von hinten schöbe sich eine Hand an ihn heran. Als er herumfuhr, war nur der Stützpfeiler hinter ihm.
    Diese Burg nagt an meinem Verstand! dachte Mythor wütend.
    Er nahm die Treppe in wenigen Sätzen und sah nicht mehr die Faust, die an einem kurzen Arm aus der Säule herauswuchs.
*
    »Hier entlang, Mythor«, flüsterte Tallias liebliche Stimme. »Du mußt durch diese Tür.«
    »Sei auf der Hut!« warnte der Gesed-Geist. »Hier kann alles Trug sein.«
    Unsinn! Nicht Allia!
    Der Aegyr schwieg, und sein Schweigen hatte etwas Bedrückendes an sich. Mythor fragte sich, warum er, wenn er Tallia gegenüber mißtrauisch war, dies erst jetzt zeigte.
    Vielleicht meinte er gar nicht sie. Sicher war es so. Ein Trug war zum Beispiel, daß vom Burghof aus keine hellen Fenster zu sehen waren, obwohl auch hier überall Leuchter an den Wänden hingen.
    Die Tür führte in ein großes Zimmer mit einem Tisch, drei Stühlen und Dutzenden von Regalen mit uralten Büchern. Die Möbel waren nach dem gleichen kranken Geschmack handgeschnitzt, der auch für die Wandbilder verantwortlich sein mußte. Sie konnten einem Alptraum entsprungen sein.
    Wieder erklang das Stöhnen, als stieße es jemand aus, der unsichtbar in diesem Raum wandelte.
    »Tallia?« rief Mythor.
    Sie antwortete nicht. Mythor bemerkte einige glatte Flächen vor den gemauerten Wänden, ovale, kreisrunde und rechteckige. Einem Gefühl folgend, kratzte er mit der Klinge daran und legte Teile einer spiegelnden Platte frei.
    »Mir

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