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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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Clemens’ Brief zu rezitieren.
    „Weder Türpe noch deinem Vater wird dein Name im Zunftprotokoll gefallen.“
    „... ist dem Tode schon anheimgegeben ...“
    Dieses Lächeln!
    „Mein voller Name übrigens ist Luisa Maximiliane Clementine. Das weiß kaum jemand – ... wird für keinen Dienst auf Erden taugen ...“
    Er beobachtete sie, er liebte sie so sehr und sie hatte wieder einen Plan und er würde nicht drum herumkommen, ihr Spielchen mitzuspielen. Na schön, Luisa Maximiliane Clementine Treuentzien, na schön. Caspar beugte sich vor und küsste ihre Wange, „... und doch wird er vor dem Tode beben, wer die Schönheit angeschaut mit Augen!“, ihren Hals, ihr Dekolleté, „Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe ...“, legte seine Linke um ihre Taille und rückte ganz dicht an sie heran, „... denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen, zu genügen einem solchen Triebe.“
    „Was sind das für Triebe?“ Seine Lippen wanderten von einer Schulter zur anderen.
    „Wen der Pfeil des Schönen je getroffen ... – Es ist die unschuldige Liebe, Caspar, die unberührte – Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!“
    „Nur ein Idiot liebt in Worten. Pff! Clemens!“ Caspar schnippte Clemens’ Brief aus ihrer Hand und zog sie auf seinen Schoß; ihre Hände in seinem Haar, verschränkt auf seinem Rücken. Ihren Taft, ihren Tüll, ihre Seide schob er bis zur Hüfte hoch, dann über ihren Kopf. Er pellte sie aus dem Unterzeug, Carmisol, Mieder, aus dem Korsett, häutete sie wie eine Zwiebel, verzehrte sie Zoll für Zoll, bis ihm die Tränen kommen wollten. Und als sein Hunger gestillt war, wagten sie nicht, sich zu rühren. So müsste er sich und sie einweben. Für immer.
     
    Keine drei Tage später saß der Türpe am Tisch seines Vaters. Aber nicht nur der, sondern auch sein Stellvertreter und der Stellvertreter des Stellvertreters. So machten Türpe, Kerner und der alte Schiffner Stielaugen, als stünde auf Caspars Stirn geschrieben, von wem der Auftrag zum Meisterstück gekommen war und wie es Balthasar aus Mätzigs Fabrik geschafft hatte. Auf keine dieser Fragen wusste Caspar eine Antwort, mittlerweile interessierte ihn die Vergangenheit auch nicht mehr. Er war zufrieden mit der Gegenwart.
    Türpe hielt ihm den Meisteramtsvertrag unter die Nase. „Also, Caspar, zu wem wirst du den Unterschulmeister Radisch wegen des Aufgebots schicken?“ Die zentrale Frage. Caspar wurde von allen beäugt; nicht nur vom Zunftsvorstand, sondern auch von seinen Eltern. Alle wollten wissen, mit wem an der Hand Caspar sein Meisterstück anmeldete.
    Aber Lügen kamen nicht über seine Lippen, niemals. Er zog das Stück Papier zu sich herum und setzte einen Namen ein.
    „Was soll das heißen?“ Alle beugten sich über das Stück Papier, ein jeder gab seine Entzifferungsversuche zum Besten: „Max... Maximiliane Cl... – Caspar, was soll das heißen?“
    „Clementine, oder?“, tat der Schiffner klug.
    „Maximiliane Clementine Tn... Tr... Tnene...? Caspar, deine Sauklaue! Tnentnien?“ Türpe glotzte wie ein irre gewordenes Maultier. „Kennt die jemand? Friedrich, kennst du die?“
    Sein Vater schickte einen kurzen Blick in Caspars Augen. Blicke sprachen Bände. Auf seinen Vater war Verlass, der nickte. Seine Mutter klatschte in die Hände, sodass alle Anwesenden, Caspar eingeschlossen, zusammenschreckten. „Hab gebacken. Jemand ’n Stück Kuchen?“
     
    Erst später am Abend setzte sich Friedrich Weber zu Caspar in den Garten. Die Sonne war noch nicht ganz verschwunden. Es war einer jener Abende, die einen belebten, obwohl man vom Tagwerk völlig erschöpft war, einer jener Abende, an denen man sich viel vornahm für die Zukunft und gut von der Vergangenheit dachte, obschon sie ganz grässlich gewesen war. Aber man erinnerte sich nur der guten Dinge. Es roch nach Frühling und nach Leben.
    „Es ist gut, dass der Türpe ein dummer Esel ist“, sagte Caspars Vater. Der Tag im Leinewebstuhl ließ seine Knochen knacken, als er alle Viere von sich streckte. „Es ist gut, dass er denkt, Luisa Treuentzien“, Caspars Kopf schnellte in die Richtung, in der sein Vater saß, „sei irgendeine Tnentnien aus dem Zittauer Gebirge, die du aufgegabelt hast, als du im Spital warst. Bloß Clemens tut mir leid.“
    „Er ist ein Hornochse.“
    „Hüte deine Zunge, Junge. Kein Grund, ihn so hinters Licht zu führen. Er ist mein Sohn und dein Bruder.“ Vaters Tonfall hatte etwas Lehrerhaftes an sich. „Ihr müsst das

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