Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
durch die Ofenklappe spähte, über sein Gesicht.
Sie mied seinen irritierten Blick. „Na, weil wir doch den Balthasar brauchen. Sie können ihn nicht zwingen ...“
„Wie kommst du darauf, dass Balthasar gezwungen wurde, in die Fabrik zu gehen?“
Sie stutze, überlegte, kam aber nicht zum Antworten.
„Meinst du nicht, dass du dich da schon wieder in etwas einmischst ...“
„Oh nein, mein Lieber.“ Sie blieb sitzen, obwohl sie lieber davongerannt wäre. „Ich habe mich an einen Vertrag zu halten! Ich habe von Keubler eine Menge Geld genommen. Ich habe den Mustermaler aus Dresden bereits bezahlt und der müsste bald mit der Patrone fertig sein. Türpe hat die Zeichnung als dein Meisterstück akzeptiert. Da hängt ein Riesenaffenschwanz dran. Ich brauche Balthasar für den Auftrag. Ich habe einen Termin einzuhalten. Was Balthasar nach dem Tuch macht, ist mir egal ... nein, ist mir nicht egal!“ Sie war verwirrt, wütend, und das kleine, das klitzekleine Lächeln, das über Caspars Lippen gehuscht war, brachte sie nur noch mehr durcheinander.
Einer Eingebung folgend griff sie nach seinen Händen, die locker vor ihm in seinem Schoß lagen. Er ließ die Berührung zu und sie war erleichtert darüber. „Ich denke nicht nur an mich, Caspar.“ Ihre Stimme war nichts als ein Flüstern, aber sie war ehrlich. Diesmal klang es nicht nach einem Roman oder einem albernen Gedicht. Es klang aufrichtig. „Ich liebe dich, nicht mich. Um ehrlich zu sein, finde ich mich persönlich eher abstoßend.“ Wieder ließ Caspar ein ganz kleines Lächeln blicken, so fein und schön, dass sie heulen wollte. Doch sie tat es nicht. „Türpe hat gesagt, du und er, ihr habt noch eine Rechnung offen.“
„Luisa, nicht.“
Sie legte ihm schnell die Fingerspitzen auf die Lippen, weil sie diese Dinge jetzt klären musste. Jetzt und nicht irgendwann. „Mätzig hat zugegeben, dass er immer wieder den Türpe auf euch losgelassen hat wie einen reuigen Köt...“
„Räudigen.“
„Was?“
„Wie einen räudigen Köter.“
„Ja, genau.“ Luisa war verwirrt und hatte noch so viel zu erzählen. „Der Mätzig wollte euch in die Enge treiben, euch unter Druck setzen und hat dem Türpe mehr gezahlt als ich. Wenn ich ein Mann wäre, hätte der Türpe das nicht gewagt! Ich bin aber kein Mann. Jedenfalls ... Die achtzig Ellen Leinwand kamen vom Mätzig.“
Caspar lehnte sich an den Ofen und starrte einen Moment in die Dunkelheit des Altenteils. „Vom Mätzig?“
„Na ja, die Idee stammte vom Türpe, aber der Mätzig konnte das durchsetzen. Der Türpe, so sagt Mätzig, hatte noch eine Rechnung mit euch offen.“
„Der Türpe hat gelogen.“ Das klang aus Caspars Mund, als hätte er gesagt: „Die Erde ist ja doch rund.“
Unauffällig rutschte Luisa dichter an Caspar heran. „Dem traue ich so weit, wie ich ihn werfen könnte.“
Caspar zeigte wieder sein hübsches Lächeln. Aber das, was er als Nächstes von Luisa hörte, verscheuchte es gleich wieder.
„Der Mätzig hat mir Nachhilfe gegeben. So hat er sich ausgedrückt: ‚Jetzt gebe ich Ihnen mal Nachhilfe in dem Wissen um die Verhältnisse zwischen Caspar Weber und Herrn Türpe.‘“ Caspar unterbrach sie nicht, aber seine Augenbraue huschte interessiert nach oben. „‚Es war einmal eine schöne Damastwebertochter, die sollte einem stattlichen Damastwebersohn angetraut werden.‘ Hat der Mätzig gesagt.“
Caspars Blick hatte jetzt etwas Tiefes und Trauriges an sich, aber sie musste schließlich wissen, ob es stimmte, was der Mätzig ihr erzählt hatte.
„Der Mätzig hat wortwörtlich gesagt: ‚Es traten Anzeichen an der schönen Damastwebertochter zutage, die bedeuten konnten, der stattliche Damastwebersohn habe sich nicht an die Zunftgesetze gehalten, womit der Vater der schönen Damastwebertochter ganz und gar nicht einverstanden war.‘“ Caspar schaute seine Hände in den ihren an. Sie wusste nicht, ob es besser war, jetzt zu schweigen.
„Weiter?“
Luisa räusperte sich. „Türpe ist der Vater, nicht wahr? Und Hermine war seine Tochter, mit der du verlobt warst. Er wollte an seiner Tochter eine Bettsetzung veranlassen, um herauszufinden, ob sie unberührt in die Ehe mit dir gehen würde. Stimmt’s? Das hast du nicht zugelassen, nicht wahr? Dann hat der Türpe sie eingesperrt. Er hat sie eingesperrt in seinem eigenen Hause?“
Keine Reaktion.
„Sie war nicht schwanger, oder? Sie war krank, und weil Türpe keinen Arzt zu ihr gelassen hat, ist sie
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