Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
erzählte.
„Ja, ich schätze, Gotthelf lässt just in diesem Moment nach deinem Vater schicken. Nicht, dass Gotthelf selbst mal ein paar Schritte gehen könnte.“
In Luisas Kopf überschlug sich alles. Vielleicht war es das Beste für die gesamte Familie Weber. Es würde ihnen vielleicht besser gehen mit Balthasars geregeltem Einkommen bei Mätzig & Söhne. „Aber das geht nicht.“ Hatte sie das laut gesagt? Ja, das musste sie wohl, weil Christiana sie ganz verwundert anschaute. Luisa winkte ab, nahm sich noch Gebäck und überlegte. Sie brauchte Balthasar. Wer sollte das Leipziger Tuch machen, wenn nicht Caspar und sein Bruder? Es ging einfach nicht, dass sich ein Herr Mätzig in ihre Geschäfte einmischte! „Geht nicht!“
Die Nächte, die kommen sollten, taten Luisa nicht gut, weil sie wach lag, und Caspar nicht, weil er wach lag. Luisa wurde von Ludovike, mit der sie sich ein Bett zu teilen hatte, tags angeranzt, weil Luisa sich des Nachts stundenlang hin und her wälzte und ihre Schwester damit aufweckte.
Der März brach mild im Mandautal an.
Eines Tages schließlich fasste Luisa den Mut und besorgte sich einen Termin bei Mätzig & Söhne.
Überraschend schnell ließ Mätzig Luisa vorsprechen und das Gespräch, das beide führten, tat ihr ebenso wenig gut wie ihre durchwachten Nächte. Sie führte ein sehr, sehr teures Gespräch mit Mätzig. Zu teuer. Es gab nicht mehr viel Plunder, den der Krämer Jacobi ihr abnahm und der wirklich Geld einbrachte. Die merkwürdige schwedische Flickendecke hatte das Gespräch mit Mätzig beschlossen. Aber nicht genug damit, dass es so viel gekostet hatte, Balthasar Weber aus der Fabrik zu kriegen, rief das Gespräch mit Mätzig den Obermeister Türpe und sein Zunftprotokoll auf den Plan. Luisa brauchte den Beistand ihres Vaters, um sich mit dem Zunftvorsitzenden messen zu können. Freilich geizte sie in Gegenwart ihres Vaters mit Details, was Balthasar Weber betraf, aber schließlich und letzten Endes war Balthasar Rechnungsweber, frei und ungebunden. Mätzig konnte ihn nicht zwingen, bei ihm zu arbeiten, und Türpe auch nicht.
Eine milde Brise kündigte den Frühling an und auch die Nächte blieben nun frostfrei, aber die freundliche Witterung hellte Luisas Stimmung kaum auf. Die Kirchturmglocke sagte die dritte Morgenstunde an, als Luisa im Schein des Vollmondes durchs Dorf ging.
Luisa war ungeschickt, die kleinen Kiesel viel zu leicht, sodass sie nicht einmal die Umschrotbohlen um Caspars Fenster herum traf. Es dauerte eine Weile, bis sie sich bemerkbar machen konnte. Licht wurde entzündet und sie betete, dass es nicht Balthasar war, den sie aufgeweckt hatte, sondern der Richtige. Er steckte nur kurz den Kopf durchs Fenster, aber sein Seufzen hörte sie bis nach unten. „Komm zur Hintertür.“ Sie schlurfte durch den zu Matsch getauten Schneerest, der auf dem Gartenweg lag, und wartete. Keine Schritte, nur das kaum vernehmliche Quietschen des Riegels, dann das Stöhnen des Scharniers. Caspar rieb sich die Augen. „Was machst du denn hier?“
„Ich muss mit dir reden.“
„Jetzt?“
Auf ihr Nicken ließ er sie ein und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen. Luisa wollte niemanden wecken. Die Webers hatten noch zwei Stunden, bis sie sich an die Leinwand machen würden. Zuallerletzt wollte sie sie wecken. Caspars Nachthemd schleifte auf dem Boden, darüber hatte er sich eine knielange Strickjacke geworfen und die Kapuze über den Kopf gezogen. Zu gern hätte sie sich an ihn gekuschelt und mit ihm die warme Jacke geteilt. Haarsträhnen lugten unter der Kapuze hervor. Er rieb sich abermals die Augen und sie bereute, ihn geweckt zu haben. Ohne Umschweife wies er auf die Ofenbank, nahm den Schürhaken und machte sich daran, die Glut zu rütteln und Holz zu schichten. Er war geschickt und ganz leise dabei und Luisa wurde es bei seinem Anblick warm ums Herz. Als das Feuer knisterte, setzte er sich zu ihr, lüftete die Kapuze und klemmte das unordentliche Haar hinter seine Ohren. „Also?“ Er schaute sie fragend an, ernst, aber nicht verärgert wegen der frühen Störung.
Sie war aufgeregt und holte tief Luft. Reiß dich zusammen! „Caspar, ich hab das mit Balthasar geregelt. Der braucht morgen nicht zum Mätzig. Der erwartet ihn auch nicht. Und der Türpe hat sich auch was anhören dürfen. Sogar mein Va...“
„Mo... Moment mal, Luisa. Was? Mätzig? Türpe? Dein Vater? Wovon redest du eigentlich?“ Orange-gelb züngelte der Lichtschein, der
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