Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
Handschuhen in seiner Armbeuge angelten, ließen ihn aufschrecken. „Was ist das?“
„Das ist ein Auftrag.“
Caspar schenkte Luisa Treuentzien und seinem Vater ein und denselben verständnislosen Blick. Ihre Unsicherheit überspielte sie, indem sie mit Friedrich Weber über dessen Gesundheit plauderte. Ihr war daran gelegen, die Distanz zwischen ihnen zu überbrücken. „Und Sie? Sind Sie immer noch erkältet?“, wandte sie sich dann an Caspar. Da waren diese Wahnsinnsaugen in diesem unergründlich fremden Gesicht.
Caspar schüttelte den Kopf.
Jetzt war sie diejenige, die nickte. Wieso?
Caspar verstand nichts. Er widmete seine ganze Aufmerksamkeit wieder der Zeichnung. Nicht, dass das, was Luisa Treuentzien mitgebracht hatte, nicht in eine Atlasbindung gebracht werden konnte. Es war nur so ganz anders als alles, was Caspar und sein Vater je zuvor gewebt hatten. Es war so persönlich. Mit dem Betrachten der Zeichnung hatte er das Gefühl, Luisa Treuentzien unerträglich dicht auf die Pelle zu rücken, so dicht, dass er Gänsehaut von ihrer Kühle bekam.
„Na ja, wenigstens keine Blumenranken, Schriftzüge und sonstigen langweiligen Krimskrams“, sagte sein Vater leichthin.
Es fiel Caspar nicht leicht, in Luisa Treuentziens tiefgrau funkelnde Augen zu schauen. Hatte sie graue Augen? Tatsächlich? Er hob den Blick von der Zeichnung und schaute der Entsprechung natura geradewegs ins Angesicht. Graue Augen, wie das Wasser eines Sees unter einem wolkenverhangenen Himmel im November. So graue Augen wie auf der Zeichnung, mit eben dem Leuchten wie auf der Zeichnung. Mit eben dem dunklen Ring um die Iris wie auf der Zeichnung. Er hatte keine Ahnung, wie lange er sie angestarrt hatte.
Sie räusperte sich. Sein Blick flog zurück in die kohlegrauen Augen auf dem Blatt Papier. Ihre gezeichneten Augen waren ernst, aber ihre Miene war warm. Ihr Mund wollte lächeln, war kurz vor einem Lächeln. Caspar wollte gern, dass sie lächelte. Lächle einmal für mich! Wie hatte der Zeichner dieses Abbildes die anmutige Strenge, die mädchenhafte Neugier und den unbeugsamen Stolz einer Luisa Treuentzien einfangen können?
„Wer hat das gezeichnet?“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen, Meister Weber. Es ist ein privater Auftrag und meinem Vater zum fünfzigsten Geburtstag bestimmt.“
„Der Auftrag kommt nicht vom Liebig? Und Ihr Vater? Weiß er etwas davon?“ Die Stimme von Friedrich Weber war leise und gefasst. Luisa schüttelte knapp den Kopf und blickte Caspar Hilfe suchend an. Ihm stand es nicht zu, in dieser Sache zu sprechen. „Verleger Liebig und Ihr Vater – die wissen doch von diesem Auftrag, oder, Fräulein Treuentzien?“
„Nein, mein Vater sollte nichts von dem Auftrag wissen, das ihm ein Geburtstagsgeschenk sein soll, nicht wahr?“
„Rein theoretisch gesprochen, Fräulein Treuentzien, wer wird die Musterzeichnung anfertigen?“, wollte Friedrich Weber wissen.
Berechtigte Frage, fand Caspar.
„Ich hörte, Ihr Sohn versteht sich aufs Musterzeichnen.“
„Nein, nein, meine Liebe!“
Sie fuhr Caspar schlichtweg über den Mund: „Doch, Herr Weber.“
Mit aufgerissenen Augen schaute er zu seinem Vater hinüber. Der besah sich immer noch die Zeichnung, die Hände links und rechts davon auf die Tischplatte gestemmt. Und da wusste Caspar, dass sich sein Vater zu diesem Auftrag hinreißen lassen würde. „Vater!“
Der zuckte mit den Achseln, gab dem Fräulein aber zu verstehen, dass Caspar nicht befugt war, eine Zeichnung, eine Patrone, anzufertigen.
„Ich erteile Ihnen die Erlaubnis. Ich meine, man muss es ja nicht an die große Glocke hängen.“
„Wissen Sie, wie lange es damals im Januar geheim geblieben ist, dass wir Abgabeaufschub für diese Servietten bekommen haben? Keine vierundzwanzig Stunden!“
„Woran hat das wohl gelegen?“, fragte Luisa. „Ist da jemand geschwätzig gewesen?“
Caspar wollte ihr die Meinung sagen, aber sein Vater hinderte ihn daran. Und die Treuentzien gab zu verstehen, dass der Auftraggeber geheim bleiben müsse, was eine Menge Vertrauen voraussetzte. Vertrauen, das die Weber nicht bereit waren, den Verlegern entgegenzubringen. Eine Weile sagten weder er noch sein Vater etwas.
„Leinwand oder Damast, Herr Weber?“
Da hatte das Fräulein ihn am Schlafittchen. Er forschte auf ihrem Gesicht, wollte wissen, was sie gegen seine Familie ausheckte. Wie sollte er ihr vertrauen?
Sein Vater ergriff vernünftigerweise das Wort: „Es ist mir verboten, Damast zu
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