Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
Gespräch vertieft, die hätten von einem Regiment vorbeireitender Dragoner nichts bemerkt.
Nach dem Gottesdienst und dem anschließenden Mittagessen ließ man Luisa und Matthias im Salon allein. Ein Komplott der Älteren, die jungen Leute ungestört plaudern zu lassen, denn vor der einen wie der anderen Partei dürfte das unterkühlte Verhältnis zwischen Matthias und Luisa nicht verborgen geblieben sein.
Luisa gab das Bild ab, das Matthias von ihr sehen wollte: Sie setzte sich mit einem Stickrahmen in einen Sessel und wartete darauf, dass er das Wort ergriff. Zunächst wurden Gottesdienst und Mittagessen ausgewertet, Lob für Pfarrer Sälars Predigt und Mutters Menü-Ideen ausgesprochen. Dann war es wieder eine Weile still zwischen ihnen.
„Ich hab dich so herzlich nicht mehr lächeln sehen, seit ... seit wann eigentlich?“, äußerte Matthias, was Luisa verwunderte. „Ich weiß es nicht. Heute kommt es mir vor, als hätte ich dich seit Jahren nicht mehr lachen hören. Was war es, was dieser Mann heute Morgen mit dir gesprochen hat?“
Luisa schenkte Matthias einen kurzen Blick, bevor sie sich wieder ihrer Stickerei widmete. Sie schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen.
Matthias lehnte am Kamin und blätterte gedankenverloren in einem Buch, das er, ohne dessen Titel ausdrücklich gewählt zu haben, aus dem Bücherregal gezogen hatte. „Was hat vermocht, dich zu erheitern ... erheitern nicht im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern erwärmen, enthärten vielleicht?“
„Rede nicht von mir wie von einer Gesteinsprobe.“
Er antworte mit einem Lächeln: süß und jungenhaft.
Und Luisa sagte dann: „Ich habe nicht mitbekommen, dass du es bemerkt hast, Matthias. Es tut mir leid, wenn es dich beunruhigt, mich mit den Häuslern sprechen zu sehen.“ Luisa versuchte sich auf die violetten Glockenblumen zu konzentrieren, die sie dem cremefarbenen Leinentüchlein verpassen wollte. Es sollte ein Geschenk für Christiana sein. Christiana erwartete wieder ein Kind, eine Tatsache, die sie ihr auf einem ihrer Spaziergänge verraten hatte wie ein Staatsgeheimnis. Jetzt bemühte sie sich, ihr Gesicht in anständigem Ernst ruhen zu lassen, obwohl ihr die Erinnerung an die Begebenheit vor dem Gottesdienst ein neuerliches Lächeln aufs Gesicht zaubern wollte.
Matthias legte das Buch auf den Kaminsims, wohin es nicht gehörte, aber seine Eigenmächtigkeit unterstrich es, in Luisas Heim zu walten und zu schalten wie in seinem eigenen. Er stellte sich an eines der Stubenfenster und blickte einige Herzschläge lang hinaus. „Es ist mir egal, mit wem du dich unterhältst. Es macht mich nur traurig, dass du mit mir überhaupt nicht mehr sprichst.“
„Wir sehen uns so selten.“
Er wandte sich wieder um: „Du entgleitest mir.“
Luisa stach sich mit der Sticknadel. Sie steckte den Finger in den Mund, um den Blutstropfen zu entfernen, und war glücklich, so am Sprechen gehindert zu werden.
Matthias war mit wenigen Schritten bei ihr, zog mit ungerührter Miene das Tuch aus seinem Revers, nahm Luisas Hand in die seine und wickelte das Tuch um den lädierten Finger. Ohne ein weiteres Wort schritt er wieder von ihr fort und ließ sich in einen der am Kamin stehenden Sessel sinken. Er winkelte das eine Bein an, streckte das andere aus und schaute Luisa an, die vor sich hinstarrte. „Ich werde verreisen, Luisa, die letzte Expedition, bevor ich mit dem Magister abschließe. Dir ist klar, was das bedeutet?“
Sie nickte und sah fest in Matthias’ helle Augen. Wenn er von dieser Reise zurückkehrte und seinen Magister gemacht hatte, würde er sie heiraten. Er würde einen brillanten Geologen abgeben, wenn er erst einmal mit dem Studieren fertig war, aber mehr als ein exzellenter Wissenschaftler würde Matthias wohl nie sein, nicht für Luisa.
„Wann soll’s losgehen und wohin überhaupt?“
Er musterte sie eindringlich. „Im Grunde interessiert es dich doch gar nicht, wann und wohin. Dich interessiert doch viel brennender, wie lange ich wegbleiben werde, hab ich recht?“ Für ihr aufrichtig erstauntes Gesicht hatte er nichts weiter als ein bübisches Zwinkern übrig, auf das wieder eisiger Ernst folgte.
Er erzählte ihr die Einzelheiten seiner letzten Studienexpedition nach Skandinavien und schloss bald mit einer Neuigkeit, die Luisa beinahe das Stickgitter aus der Hand schlug: „Ich habe einen Entschluss gefasst, den ich mit deinem Vater besprochen habe und über den er wirklich erfreut ist, Luisa.“ Matthias
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