Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
nimmt uns das Tuch ab, der Liebig nimmt die Leinwand von Vater ab und kann seine blöde Strafe damit verrechnen, wenn er das will. Wo ist da das Problem?“
„Caspar“, sagte Luisa und schaute ihn sehr eindringlich an, „das Problem ist, dass Liebig davon überzeugt ist, dass du und dein Vater zum Mätzig gehen werdet, weil du heiraten wirst.“
Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Wovon redest du da?“
„Der Liebig sagt, der Türpe behauptet, dass du Emilie Schiffner heiraten und danach zum Mätzig gehen wirst.“ Sie verzog wieder bitter das Gesicht.
Caspar schüttelte abermals den Kopf. „Du glaubst ihm?“
„Ich weiß gar nicht mehr, was ich glauben soll. Ich hab euch in so große Schwierigkeiten gebracht.“
„Nein, Luisa.“
„Doch, Caspar, meinetwegen habt ihr gegen alle möglichen Zunftgesetze verstoßen und der Türpe wird dich verheiraten – lass mich ausreden! Wenn der Türpe das will, dann verheiratet er dich auch: Mit dem nächsten Auftrag, der sonst woher kommen mag, heiratest du.“
Caspar riss beinahe der Geduldsfaden bei all dem Geschnatter. „Ja, natürlich, aber nicht die, sondern dich.“ Er nahm ihr Gesicht zwischen Daumen und Zeigefinger und küsste sie auf den Mund. „Vertrau mir. Das, was der Türpe sich ausdenkt, hat nichts mit mir zu tun.“
Luisas Gesicht war ganz heiß. Sie wurde weich in Caspars Armen, lehnte sich gegen ihn und verkrallte ihre Hände in seinem Nacken, in seinem Haar. Ihr Kuss wurde leidenschaftlich und Caspar wollte schmelzen, so süß schmeckte sie. Er setzte sich auf die Jutelagen und zog Luisa neben sich. Ihre Hände so warm und ihre Lippen heiß, ihre Zunge abenteuerlich, ihre Zähne verspielt und ihre Finger an den Kordeln seines Mantels.
Moment! „Was wird das?“ Er war ehrlich irritiert. Sie schaute ihn aus ihren geröteten Augen und mit Unschuldsmiene an, zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht. Was man eben so macht, wenn man sich heiraten will.“ Sie klang sehr naiv und darüber musste er lächeln. Kurz darauf lagen ihre Lippen wieder auf den seinen und ihre Hände fuhren fort, ihn von Mantel und Schal, von Wams und Hemd zu befreien.
Er schlug nicht gleich den Heimweg ein. Er würde jetzt wohl keinem seiner Leute in die Augen sehen können. Wie hatte er sich nur hinreißen lassen können von Luisas Neugier? Niemand sollte ihm vorhalten, er habe sie verführt. Sie hatte damit angefangen, nicht er! Man sagte ihm ja viel nach, aber diesmal war er es nicht gewesen, der die Blume gepflückt hatte, sondern sie – in gewisser Weise. Er fragte sich, wie es ihr jetzt ging. Sie waren noch eine ganze Weile zusammen gewesen. Anders als bei seinen früheren Eroberungen wollte er mit ihr zusammenbleiben, hatte sich kaum von ihr trennen können. Nicht einmal mit Hermine – Himmel! Zuallerletzt mit der zappeligen, wachsamen Hermine! – war er danach immer noch zusammengeblieben. Aber allein die Mühe, Luisa Treuentzien danach wieder in ihr Korsett und das viele Unterzeug einzupacken, dauerte länger als die Sache an sich. Und dabei hatte Caspar gar nicht geahnt, was sich für ein glatter, weicher Körper und welch vorzügliche Rundungen sich unter dem starren Schilfrohrmieder verbargen. Es würde sehr spannend werden, sich Methoden auszudenken, Luisa schnell aus dem Korsett und zügig wieder hineinzubekommen. Er seufzte. Er vermisste sie schon jetzt, weil er keine Ahnung hatte, wann er sie wiedersehen würde. Ihren Duft noch in der Nase, ihr kleines Keuchen, mit dem sie ihre Unschuld hervorgehaucht hatte, noch im Ohr, setzte er sich in Herrmann Tkadlecs Stube.
„Mätzig bezahlt schlechter denn je!“, rülpste der Tkadlec hervor.
„Fang du nicht auch noch damit an!“, seufzte Caspar.
„Er hat mittlerweile auch kaum noch Damastaufträge. Trink! Du siehst ganz verwildert aus, Caspar.“
Caspar schubste Herrmanns Finger weg, die ihm den Kragen richten wollten.
Herrmann war aber noch nicht fertig mit der Inspektion, er besah sich Caspars Gesicht. „Hast wieder etwas Farbe um die Gusche.“ Er klopfte ihm sacht auf die Brust. „Geht es dir wieder besser auf der Lunge?“
Caspar nickte. Im November hatte er gedacht, dass es ihn wieder erwischte, aber jetzt ging es besser. Er war seit dem Vormittag davon überzeugt, dass er diesen Winter verschont bleiben würde. Das hatte er sich wirklich mal verdient! Oder, Gott, was sagst du dazu?
Herrmann trank einen ordentlichen Schluck. „Warst du bei der Andacht? Nein? Ich auch nicht.“
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