Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
aber das würde sich schon ergeben! „Ihr dürft euch nicht von Mätzig abwerben lassen, denn dann kann ich nicht weitermachen. Ich brauche euch.“ In jeder Hinsicht. Sie wurde wohl etwas rot, denn Caspar lächelte: „Darauf Prost, Fräulein Treuentzien.“
Luisa erwiderte sein Lächeln und dann fiel ihr etwas anderes ein. Sie angelte nach ihrem Beutel, der an einer Stuhllehne hing, förderte ein Wachstuchpäckchen zutage und hielt es ihm hin.
„Was ist das?“
„Nachträglich zum Geburtstag. Hab ich zu spät im Protokoll gesehen.“
„Ja, das liebe Protokoll verrät so einiges.“ Caspar tauschte Becher gegen Päckchen, befühlte es und tat ganz gespannt. „Was könnte das sein, mh? Ich weiß: mein Schmucktuch mit deinem Gesichtchen.“
„Sehr witzig, wirklich. Na los, mach’s auf.“
„Wo ist mein Tuch eigentlich?“
Sie antwortete nicht, beobachtete nur, wie er langsam das Päckchen öffnete.
„Wieso willst du mir nicht sagen, wo mein Tuch ist – Socken ... wie nett.“
„Nein, Caspar, nicht einfach nur ‚Socken‘, sieh.“ Sie entwirrte das Stoffbündel und zeigte ihm die Socken. Und stülpte sie sich wie Handschuhe mit viel zu kurzen Fingerchen über. „Zum Weben, Caspar, du bist schon wieder erkältet. Du kannst bei dem Wetter nicht barfuß arbeiten!“
Er nahm ihr die Zehensocken von den Fingern und betrachtete die Stücke skeptisch.
„Selbstgemacht.“
„Selbstgemacht?“ Jetzt kam zur Skepsis in seinem Gesicht ein ungläubiges Lächeln.
„Na ja, das meiste. Bettine hat ein bisschen geholfen.“
„Bettine, die Magd?“
Luisa rutschte auf ihrem Hinterteil hin und her. „Na ja, eigentlich hat sie sie gemacht, aber die Idee, Caspar, die Idee kam von mir!“ Sie konnte seinem Lächeln nicht widerstehen, seinen Händen, die sich um ihr Gesicht legten.
„Sollte ich Bettine mal nach meinem Tuch fragen?“
Ihr Lächeln erstarb. „Nein. Tu das nicht. Außerdem ist es mein Tuch. Ich hab es bezahlt!“
Er forschte auf ihrem Gesicht.
War da Misstrauen in seinen Augen?
Es sollte alles noch schlimmer werden. Er hätte sich ja denken können, dass sie spornstreichs zum Liebig laufen und mit ihm über seine Familie reden würde.
Es war der dritte Advent. Die Glocken läuteten zur Andacht. Seine Familie war bereits in der Kirche. Man hatte sein Fehlen bestimmt längst bemerkt. Und Luisas Familie war sicherlich auch nicht entgangen, dass sie nicht da war.
Luisa war völlig aufgelöst. Sie hatte Caspar auf dem Weg zur Kirche abgefangen und ihn ins Jutelager neben der Liebig-Scheune gezerrt.
Der kleine Raum war nur durch ein winziges Fenster in der Tür beleuchtet, maß zehn mal zehn Fuß und roch süßlich nach Hanf. An seinen Wänden standen mannshohe Regale mit Ballen voller Packjute und Hanfstricken und sogar auf dem Fußboden türmten sich die Stofflagen. So war der Raum gut gedämmt und es war sogar warm hier, während draußen der Schnee auf den Wegen zu Eis gefroren war. Luisa schloss sich und Caspar im Lager ein und weinte hemmungslos.
„Setz dich hierher.“ Er nahm von den hüfthoch aufgetürmten Jutelagen ein Tuch herunter und legte es über einen leidlich sauberen Blecheimer.
Luisa ließ sich bereitwillig darauf nieder und schnäuzte sich die Nase in eine weiße Blumenstickerei auf weißer Baumwolle mit Lochspitze.
Wenn er seine Nase putzte, musste der Ärmel seiner Kutte herhalten. Er fuhr sich über die Augen, weil er nicht wollte, dass Luisa sein Grinsen sah. „Also erzähl, Süße.“ Er hockte sich vor sie hin und wartete, bis sie ihr Gesicht in Ordnung gebracht hatte.
„Liebig ist so ein ...“
„Arsch?“
„Man darf das A-Wort nicht benutzen, Caspar“, schniefte sie. Er musste wieder über sie lächeln und strich mit dem rechten Daumen die neueste Träne von ihrer Wange. Er wartete geduldig, bis sie weitersprach:
„Der Liebig will euch Strafe zahlen lassen, Caspar, stell dir das vor!“
„Was für Strafe – wovon redest du?“
„Weil er rausgekriegt hat, dass ihr nicht mit Baumwolle, sondern mit Leinen webt. Das ist verboten.“
„Das hat den Liebig früher aber nicht gestört, im Gegenteil. Er hat es geduldet, weil er wusste, dass Leinen bei seinen Kunden besser ankommt.“
„Seine Einstellung zu dir und deinem Vater hat sich eben geändert.“ Luisa schluchzte abermals herzzerreißend auf.
In Caspars Kopf überschlugen sich die Gedanken. Er musste sie irgendwie beruhigen. „Luisa, das ist alles nicht so tragisch. Dein Keubler
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