Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
und Anne zu heiraten; Mary war strikt dagegen. Trotzdem sollen sie aus Liebe geheiratet haben, und sie war noch nicht so alt, dass sie unfruchtbar gewesen wäre … Wie auch immer, sie verbarg ihre letzte Schwangerschaft vor ihm und ließ verbreiten, sie litte unter Fieber und Schwellungen. Wahrscheinlich schöpfte er nie Verdacht. Das wirft natürlich die Frage auf, was der armen Frau wohl durch den Kopf ging, dass sie ihrem eigenen Mann ein Kind vorenthielt.«
»Ihr habt gesagt, sie hätte Angst vor Anne Boleyn gehabt«, murmelte ich und bemerkte, dass er ganz allmählich dicht an mich herangetreten war, als wollte er mich umarmen. Sein Gesicht wirkte aus der Nähe alt; die Spuren der Sorgen, des unablässigen Ränkeschmiedens und der schlaflosen Nächte hatten sich in seine Haut gegraben.
»Vielleicht war Anne ja nicht der einzige Grund«, sagte er und begann, die Hand zu heben. Bevor er mich berühren konnte, wich ich zurück, auch wenn ich eher das Gefühl hatte zu taumeln, so bleiern waren meine Glieder. Um uns herum wurde der Raum, in dem das spätnachmittägliche Zwielicht lange, dunkle Schatten warf, immer enger.
»Wie habt Ihr das mit mir herausgefunden?«, fragte ich abrupt.
»Durch puren Zufall«, antwortete er in gedämpftem, doch sicherem Ton. »Wie gesagt, in seinem Testament bestimmte Henry, dass nach seinen Kindern und deren Erben die Nachkommen seiner Schwester Mary den nächsten Rang in der Thronfolge einnehmen sollten. Als ich dann erfuhr, dass die Herzogin ihren Anspruch zugunsten ihrer Tochter, Jane Grey, zurückgezogen hatte, war ich verblüfft. Freiwillig hat Frances Suffolk noch nie auf etwas verzichtet. Northumberland ließ mich wissen, sie hätte es für Jane getan, um ihr und Guilford den Weg zu ebnen, aber nicht einmal er wirkte davon überzeugt. Kurz, ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Es dauerte nicht lange, bis ich erfuhr, dass Lady Dudley Frances mit etwas sehr viel Interessanterem gedroht hatte.«
Ich brachte ein hohles Lächeln zustande. »Mit mir.«
»Ja, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich wusste, wer Ihr wart. Das dämmerte mir erst, als ich erfuhr, dass Lady Dudley Euch der Herzogin im Thronsaal vorgestellt hatte, wo sie ihr eine Bemerkung über das Zeichen der Rose zuflüsterte. Nun, das weckte meine Aufmerksamkeit ganz gewiss. ›Rose‹ war der liebevolle Spitzname Henrys für seine jüngere Schwester. Da hattet Ihr mir bei unserer ersten Begegnung natürlich schon erzählt, dass Ihr ein Findelkind seid. Und Ihr hattet auch von einer Frau gesprochen, die sich um Euch gekümmert hatte, dann aber verschwunden war. Von Fitzpatrick hatte ich wiederum erfahren, dass es eine Kräuterkundige gab, die Lady Dudley zur Behandlung von Edward an den Hof gebracht hatte, und so langsam fügte ich die Einzelteile zu einem Bild zusammen. Es dauerte noch eine Weile, bis ich alles verstand, aber die Schlussfolgerung war einfach bestechend.«
Mir schwindelte. Meine Herkunft sollte mir offenbart werden, und nun kämpfte ich dagegen an!
»Und zwar …«, ächzte ich. Stille breitete sich aus. Zum ersten Mal stockte Cecil, als debattierte er mit sich, ob er wirklich fortfahren solle.
Die Grausamkeit dieses Spiels brachte mich endgültig aus der Fassung.
»Sagt es mir!« Scheppernd fiel das Schwert zu Boden, als ich Cecil am Wams packte und gegen die Wand stieß. »Sagt es mir auf der Stelle!«
Mit leiser Stimme antwortete Cecil: »Ihr seid der letzte Sohn von Mary von Suffolk. Die Kräuterkundige, Mistress Alice – gemäß den Büchern des Hauses Suffolk war sie die Kammerdienerin der verstorbenen Herzogin – betreute sie auch im Juni 1553 in Westhorpe. Jahre zuvor war ihr außerdem Lady Dudley zu Diensten gewesen, und zwar in Frankreich, wohin Mary gezogen war, um König Louis zu heiraten. Diese drei Frauen kannten einander, und jede stand mit Euch in Verbindung, dem Findelkind, das Lady Dudley an den Hof gebracht hat, um es gegen Frances von Suffolk einzusetzen.«
Mit einem erstickten Laut, halb Stöhnen, halb Schluchzen, ließ ich ihn los. Benommen torkelte ich zurück und tauchte plötzlich wieder in den Moment ein, als Lady Dudley mir das Buch der Psalmen abgenommen hatte. Ich hatte das Titelbild exakt vor Augen, die persönliche Widmung auf Französisch in dieser eleganten, femininen Handschrift. Nur hatte ich nicht begriffen, dass auch dieses Buch mich die ganze Zeit begleitet hatte.
A mon amie, de votre amie, Marie.
Dieses Buch, das ich
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