Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
wir einmal kannten. Die Krankheit und die Behandlungen haben einen schrecklichen Tribut von ihm gefordert.«
Elizabeth hielt sich dicht bei mir, als Barnaby an die Tür klopfte. In der Stille hörte ich sie zittrig atmen. Barnaby pochte erneut. Ich packte meinen Dolch.
Mit einem Knarzen ging die Tür einen Spaltbreit auf.
»Wer kommt da?«, fragte eine angstvolle Männerstimme leise.
»Sidney, ich bin’s«, flüsterte Barnaby. »Mach auf, schnell.«
Die Tür schwang nach innen auf, und ich erhaschte einen Blick auf eine Wandvertäfelung, die den geheimen Eingang zu einem kleinen, aber kostbar ausgestatteten Zimmer verdeckte. Eine überwältigende Hitze schlug mir entgegen. Sie kam aus den mit Duftstoffen angereicherten Kohlenpfannen in den Ecken, von einem in einer Nische eingemauerten Kamin und von den Fackeln, welche die in Scharlachrot und Gold bezogenen Stühle und die Vorhänge zu einem Alkoven beleuchteten, in dem sich ein Baldachin aus reinem Damast befand.
Ein junger Mann mit strähnigem blonden Haar und einem fein geschnittenen, eingefallenen Gesicht wandte sich Barnaby zu. »Was machst du hier? Du weißt doch, dass Seine Lordschaft dich weggeschickt hat. Du darfst nicht …« Seine Stimme erstarb, und seine blauen Augen weiteten sich. Elizabeth war an Barnaby vorbeigetreten und nahm ihre Haube ab.
Ich hielt mich hinter ihr. Neben der Hitze, die einem den Atem verschlug, stieg mir allmählich ein eigenartiger Geruch in die Nase – er war sehr schwach, aber seltsam faulig und ließ sich von dem Kräuterdampf aus den Kohlenpfannen nicht gänzlich übertünchen.
Elizabeth bemerkte es ebenfalls. »Himmelherrgott …«, murmelte sie, als Sidney vor ihr auf die Knie sank. »Dafür ist jetzt keine Zeit«, sagte sie leise und näherte sich dem Bett. Ein auf einer Stange hockender Falke, dessen Füße an einen goldenen Pfosten gekettet waren, beobachtete sie. In seinen dunklen Pupillen spiegelten sich die Kerzenflammen.
»Edward?«, flüsterte Elizabeth und öffnete die Bettvorhänge. Nach Luft schnappend, taumelte sie zurück.
Ich stürzte an ihre Seite. Als ich sah, was sie anstarrte, hätte ich fast aufgeschrien.
Der Gestank in diesem Raum ging von einer verschrumpelten Gestalt aus, die auf dem Rücken im Bett lag. Das Fleisch seiner ausgemergelten Arme und Beine hatte sich schwarz verfärbt; er verfaulte bei lebendigem Leib. Wie eine verfallende Marionette auf die Kissen gestützt, war er halb aufgerichtet. Nur die Bewegung des Brustkorbs ließ erkennen, dass das Herz des jungen Königs noch schlug. Ich konnte es nicht fassen, dass jemand in einem solchen Zustand noch bei Besinnung war. Insgeheim betete ich, er möge es nicht sein.
Dann öffnete Edward seine Augen, und sein verängstigter Blick verriet uns, dass er sich seiner Qualen, aber auch der Anwesenheit seiner Schwester vollkommen bewusst war. Er öffnete ausgetrocknete, aufgeplatzte Lippen und mühte sich damit ab, Worte zu bilden, wenn auch vergebens.
Sidney eilte an seine Seite. »Er kann nicht sprechen«, erklärte er Elizabeth. Diese stand da und starrte Edward entsetzt an, unfähig, ihre Gefühle zu verbergen.
»Was … was versucht er zu sagen?«, flüsterte sie.
Sidney beugte sich über die Lippen des sterbenden Königs. Edwards klauenartige Finger krallten sich um sein Handgelenk. Sidney blickte bekümmert auf. »Er bittet Euch um Vergebung.«
»Um Vergebung?« Elizabeths Hand fuhr an ihre Kehle. »Gütiger Jesus, wenn jemand um Vergebung bitten muss, dann ich. Ich war nicht hier. Ich war nicht hier, um zu verhindern, dass sie ihm dieses … grauenvolle Leid zufügen.«
»Über solche Sorgen ist er hinaus. Er wünscht sich nichts als Eure Vergebung. Er hatte nicht mehr die Kraft, dem Herzog zu widersprechen. Das weiß ich. Schließlich habe ich alles mitbekommen, was sich zwischen den beiden abgespielt hat, und zwar von dem Tag an, als Northumberland begann, ihn zu vergiften.«
»Ihn zu vergiften?« Elizabeths Stimme nahm einen harten, kalten Ton an. Ich konnte nur hoffen, dass ich niemals diesen Zorn auf mich ziehen würde, der jetzt in ihren Augen loderte. »Was sagt Ihr da?«
»Ich spreche von der Wahl, Eure Hoheit, von der grausamen Wahl, die sie ihm aufgezwungen haben. Er hatte hohes Fieber und spuckte Blut. Jeder wusste, dass er das nicht überleben konnte. Auch er wusste, dass sein Ende naht, und hatte sich damit abgefunden. Er hatte auch schon bestimmt, wer ihm nachfolgen sollte. Dann verlegte der Herzog ihn hierher
Weitere Kostenlose Bücher