Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
einem Bunker umbauen und mit einem Gewehr in der Hand vor der Tür abwechselnd Wache schieben?«
Ida führte die Tulpen an ihre Nase, inhalierte ihren betörenden Duft und warf dann den ganzen Strauß wütend durch die Luft. Die einzelnen Blumen drifteten im Flug auseinander und landeten wie ein wunderschöner Schauer auf dem Rasen.
»Wir holen uns den Rat der anderen«, sagte sie gefaßt, aber ihrer Miene war die Spannung anzusehen. »Sie kommen mit der Sache offenkundig schon seit Jahren klar. Warum sollten wir es nicht schaffen? Irgendwie werden wir es schon hinkriegen, du Versager!«
»Versager?«
Sie erinnerte ihn nun wieder an jene Ida, die ihm ihre verborgene häßliche Seite gezeigt hatte, als er damals in ihrer Wohnung noch unschlüssig gewesen war, ob sie den Schritt durch die Tür wirklich wagen sollten. Es war ein erschreckender Anblick, geradeso, als reiße sie eine Maske herunter. Doch das eigentliche Grauen entstand nicht durch das, was nun hinter der Maske zum Vorschein kam, sondern bei dem Gedanken, daß es die ganze Zeit schon dagewesen war.
»Klapp den Kiefer ruhig wieder zu. Du warst schon immer ein Versager, Ali, und so, wie es aussieht, wirst du auch einer bleiben. Wegen dir sind wir doch erst in diesen Schlamassel hineingeraten. Wir hatten damals eine reelle Chance, bis an unser Lebensende in Glück und Geld zu schwimmen. Wir hätten ganz oben bleiben können und nicht bei der ersten Erschütterung zwangsläufig vom Siegertreppchen stürzen müssen. Aber du hast die Weichen von Anfang an falsch gestellt. Daß du dich mit Florence eingelassen und dir dadurch den vernichtenden Zorn von Gaston zugezogen hast, ist nur die halbe Wahrheit über unser Scheitern. Der eigentliche Fehler lag darin, daß du dich unlösbar an diesen Krüppel gebunden hast. Nach deinem Durchbruch hättest du dein eigener Verkäufer sein und dich von ihm trennen können, so daß er keinerlei Macht mehr über dich besessen hätte. Du hättest Sammler aus aller Welt bei dir wie Marionetten persönlich antanzen lassen können. Aber du mußtest ja unbedingt mit diesem unseligen Hardy jede Nacht um die Häuser ziehen und schmutzigen Nutten nachsteigen, während dein väterlicher Freund dich schleichend selbst in eine Marionette verwandelt hat, in eine malende. Und als du verleumdet wurdest, hättest du nicht gleich den Kopf einziehen und teure Anwälte bemühen dürfen. Nein, du hättest sofort in die Offensive gehen, an die Öffentlichkeit treten und den wahren Grund der Verleumdung hinausschreien müssen. Es wäre ein reinigendes Gewitter gewesen, und ich hätte dir beigestanden.«
»Das ist doch alles schon längst verweste Vergangenheit, Ida!« protestierte er ein bißchen zu spät und ein bißchen zu leise, als daß sie ihm die von ihr zugefügte Verletzung nicht angemerkt hätte.
»Irrtum, das ist die Zukunft, mein Bester! Du bist wieder dabei, alles falsch zu machen und das Feld kampflos zu räumen. Du nimmst uns auch noch die zweite Chance.«
»Bis jetzt jedenfalls hast du auch keinen besseren Vorschlag gemacht, als daß wir uns an noch gefährlichere Partner binden sollen. Diese Nachbarschaft stinkt, Ida, diese Welt, in die wir hineingeraten sind, stinkt, und jene, die irgendwann durch die Tür kommen und uns im Schlaf über raschen werden, stinken ebenfalls. Das prophezeie ich dir.«
Er stand auf und ging nervös auf und ab, wobei er heftig an seiner Zigarette zog.
»Wenn du dich weiterhin der Illusion hingeben willst, daß alles wie früher ist, nur nicht mehr well done , sondern blutig, bitte sehr. Aber ich werde den Teufel tun und mit dir dasitzen und darauf warten, ob man mich ins Gefängnis steckt oder abschlachtet. Entweder du kommst mit mir oder … «
»Oder was, Ali?«
Sie wandte den Kopf zur Seite und verschwand gänzlich hinter dem ausladenden Strohhut. Die untergegangene Sonne hatte ein farbloses Zwielicht hinterlassen, das die vorhin noch rötlich leuchtende Flora mit einem fahlen Schleier bedeckte. Die Hoffnung war aus diesem einst so glückverheißenden Ort für immer verschwunden. Und nicht nur sie, sondern auch Ali und Ida, so, wie sie einmal gewesen waren, so, wie andere sie kannten, gab es nicht mehr. Sie waren längst zu ihren eigenen emotionslosen Doppelgängern geworden, zu bloßen Hüllen.
»Oder ich werde mich von dir trennen, Ida.«
»Schon wieder?«
»Damals hast du mich verlassen, nicht umgekehrt.«
»Ich dachte, du könntest dir ohne mich keinen Neuanfang mehr
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