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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Nachbarin war, ein aufgetakeltes Huhn jenseits der Menopause, Lore von Mahlen hieß und sich wegen ihres Berufes als Händlerin von Rohdiamanten selten zu Hause blicken ließ. Dafür war ihnen ihr Freund ein Begriff. Er hieß Haschim, ein attraktiver Araber mit Menjoubärtchen und einem Faible für tuntenbunte Seidenanzüge. Der Name des Mannes war für sie im Lauf der Jahre zu einem echten running gag geworden. Immer wenn es galt, den Befehlston von jemandem zu persiflieren, oder wenn sie sich selbst hysterisch gebärdeten, schrie einer von ihnen »Haschim!«, und schon brachen sie in Lachen aus. Das kam daher, weil Frau von Mahlen und Haschim sich ziemlich oft stritten - vermutlich ging es ums Geld, denn es sah verdammt danach aus, als ließe er sich von ihr aushalt en -, und das einzige, was durch die Mauern zu den Seichtems drang, war eben das schrille »Haschim!« und nochmals »Haschim!«.
    Während Ali auf dem Balkon stand und fahrigen Blickes den im Gespensterlicht schimmernden Nachbargarten ausspähte, versuchte er sich zu erinnern, was wohl aus den beiden geworden war. Haschim war irgendwann verschwunden, soweit erinnerte er sich noch. Vermutlich hatte sie ihn ob seiner immer großspuriger werdenden Ansprüche zum Teufel gejagt. Doch er wußte beim besten Willen nicht mehr, wie es dann mit Frau von Mahlen weitergegangen war. Er und Ida hatten die hysterischen Haschim-Rufe jedenfalls noch lange vermißt.
    Eine Schattengestalt huschte aus dem unbeleuchteten Haus hinaus und lief in Schlangenlinien und mit den Armen rudernd durch den Garten. Dabei stieß sie wie eine brünstige Seekuh kehlige, abgehackte Schreie aus, welche sich in der Stille mehr als unheimlich anhörten. Ali sah die Gestalt hinter dem Geflecht der bereits ausgeschlagenen, verwirbelten Zweige und durch Lücken im Gestrüpp zwar immer nur stückweise, konnte aber erkennen, daß sie splitternackt war. Trotzdem war es ihm unmöglich, sie einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen, dafür waren die Umrisse zu undeutlich. Ebensowenig konnte er sagen, ob es sich hier um eine Flucht, einen Notfall oder um einen dekadenten Spaß handelte. Denn zwei weitere Schattengestalten, ebenfalls unbestimmten Geschlechts, traten nun aus dem Haus, verharrten, beobachteten eine Weile den Kurs des Läufers und lachten dann unbekümmert. Danach folgten sie ihm langsam, aber offenbar keineswegs in übler Absicht, sondern weiterhin lachend und feixend, wobei sie ihm aus der Entfernung zwar schlecht zu verstehende, jedoch dem Tonfall nach freundliche Dinge zuriefen.
    Ali wußte nicht, was er davon halten sollte, zog sich jedoch sicherheitshalber vom Balkon in den Winkel des Mauervorsprungs zurück, um von unten nicht gesehen zu werden. Am wahrscheinlichsten schien ihm, daß hier ein munteres Sexspielchen stattfand. Die nackte Person war das Wild und die Angezogenen waren die Jäger, die es hetzten. Und was passieren würde, wenn sie das Wild in die Enge getrieben hatten, konnte man sich denken. Die bizarren Schreie waren gespielt, um die Spannung und die Lust zu steigern. Jedenfalls würde er solcherlei Sexualpraktiken, gerne auch mit mehreren Teilnehmern, diesem eigentümlichen Paar durchaus zutrauen. Es irritierte ihn allerdings ein bißchen, daß er während seiner Beobachtung eine Gänsehaut bekommen hatte. Denn tief in seinem Innern spürte er, daß das Gelächter in Wahrheit einen bedrohlichen Beigeschmack besaß, und die Schreie weniger nach Lust denn nach Verzweiflung und Furcht klangen. Er wohnte einer Szene bei, die jeden Moment in Grauen umzukippen drohte, welche nach Einmischung verlangte, weil man sich sonst womöglich stets Vorwürfe machen würde.
    Alle Schattengestalten waren inzwischen aus seinem Sichtfeld verschwunden. Sie hatten sich längst in den hinteren Teil des Gartens begeben, wo das Pflanzenwerk sich wie bei ihnen zu einem Miniaturwald verdichtete. Ali reckte neugierig den Kopf über die Mauerkante, doch alles, was er erkennen konnte, war eine düstere Scherenschnittlandschaft von sich gegenseitig umarmenden Bäumen und Gewächsen. Auch das Gelächter und die kehlig ausgestoßenen Schreie drangen jetzt nur noch leise zu ihm. Da aber sämtliche Geräusche von einem einzigen Punkt zu kommen schienen, vermutete er, daß die drei nun endlich zueinander gefunden hatten. Ali fragte sich, ob er der einzige Zeuge dieses rätselhaften Schauspiels war, und schaute sich im Häuserkarree um. In keinem der Fenster brannte Licht. Vielleicht mochte sich jemand

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