Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
Die beiden Männer nickten einander bedeutsam zu, ihr Blick konstatierte: Alles bestens!
Ali staunte nicht schlecht, als er das Eßzimmer erreichte und auf dem Tanzparkett auch Lore von Mahlen und Haschim entdeckte. Eng umschlungen und sich gegenseitig augenscheinlich nur nette Dinge ins Ohr flüsternd, wiegte sich das Paar im Zentrum des Raumes. Ein schönes Bild. Bloß, daß der dünnbärtige Araber viel älter aussah, als er ihn in Erinnerung hatte. Seine Schläfen waren zur Gänze graumeliert, markante Falten hatten sich in das dunkle Gesicht gegraben. Ein Fremder hätte die beiden jetzt für gleichaltrig gehalten, obwohl die Dame zehn, vielleicht sogar fünfzehn Jahre älter sein mußte als ihr Liebhaber. Haschim war seinem schwülstigen Stil treu geblieben. Er trug einen changierenden dunkelblauen Anzug aus Seide. Was für einen Unsinn hatte er sich eigentlich zusammengesponnen, als er in jener Nacht die schreiende Nacktgestalt durch den Garten flitzen sah? Natürlich war es nur ein Sexspielchen gewesen, was sonst!
Er kehrte um, wich galant den umstehenden Grappaschluckern und Küßchen-Küßchen-Verteilern aus und gelangte wieder ins Berliner Zimmer. Und da begegnete er zwei Gästen, die ihn endgültig davon überzeugten, daß in seiner Realität alles mit rechten Dingen zuging. Der amtliche Waldschrat und seine Frau standen unsicher in einer Ecke und begafften die auf zwei Beinen wandelnden Geld - und Goldvorräte des Viertels. Man sah es ihnen an, daß sie zum ersten Mal einer Prasserei von solchem Ausmaß die Ehre gaben. Ali überlegte, wer sie wohl eingeladen hatte. Wahrscheinlich Ida, obwohl sie von seiner Aversion gegen diese Leute wußte. Vermutlich aber sollte es eine den Neuanfang symbolisierende Geste sein. Ali freute sich trotzdem über das Erscheinen von Familie Waldschrat. Und zwar deshalb, weil sie eben ganz offensichtlich die Familie war, an die er sich von früher erinnerte. Der Mann trug keinen Priesterrock, sondern ein Holzfällerhemd und eine verwaschene Jeans. Die Figur seiner Frau spottete jeder Beschreibung. Sie ähnelte ausgespritztem Schau mstoff, der zu unförmigen Hubbel n getrocknet war. Die vielen Schwangerschaften hatten eindeutig Spuren hinterlassen. Mit ihrem griesgrämigen Ausdruck und ihrem Mineralwasser in der Hand sahen sie so aus, als würden sie heute abend noch eine Bürgerinitiative für die 100%- Steuer von Reichen ins Leben rufen.
Also hatte ihn seine Wahrnehmung wieder einmal getrogen, als er vor ein paar Wochen seinen Lieblingsfeind in ungewohnter Tracht und bei seinem seltsamen Verhalten beobachtet hatte. Obwohl ein Grund zur Besorgnis, fühlte er sich erleichtert, es fiel ihm geradezu ein Granitbrocken vom Herzen. Er hätte die beiden Miesepeter umarmen können.
»Du mußt etwas gegen diesen Vollidioten unternehmen! Es kann nicht mehr lange dauern, und er provoziert eine Prügelei!«
Ida stand plötzlich vor ihm und schaute ihn fuchsig an. Sie hatte es wieder getan! Sie hatte sich von der jungen Ida ein Abendkleid geborgt . Das korallenrote im Sarongschnitt mit den schuppenförmigen Pailletten. Und nicht nur das Kleid, nein, sie hatte auch noch die Geschmacklosigkeit besessen, sich ihre straßbesetzten fliederfarbenen Pumps von Blahnik anzueignen. Andererseits gehörten die Sachen auch ihr. Die junge und die alte Ida waren ein und dieselbe Person. Nun ja, seit einem Monat vielleicht nicht mehr so ganz. Durch das helle, lediglich sparsam dunkle Akzente betonende Make- up, das Stunden in Anspruch genommen hatte, hatte bei ihr trotzdem eine Verjüngung stattgefunden. Seine Ida wirkte verführerischer als jede andere Frau im Haus.
»Was soll ich denn tun?« sagte Ali und seufzte. »Du kennst ihn doch, Hardy ist nun einmal eine Granate. Es gibt keine Party, die er nicht sprengt.«
»Ich dulde so etwas in meinem Haus nicht mehr.«
»Ach, schämen wir uns jetzt vor diesen Goldfasanen, die uns nicht einmal den kleinen Finger gereicht haben, als wir all das aufgeben mußten?«
»Nein, Ali, das haben wir früher getan. Schon vergessen? Ich möchte nur nicht mehr die Kontrolle verlieren über mein Leben, über das, was ich tue, und über die zweite Chance, die wir bekommen haben. Diesmal laß ich es nicht schleifen. Dieser gefährliche Säufer schadet uns nur. Du solltest ihn zur Räson bringen und dann so schnell wie möglich aus dem Haus schaffen, bevor er etwas Schlimmes anrichtet.«
Wie zur Unterstreichung ihrer Befürchtung gellte aus der Küche Hardys Stimme.
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