Die Türme der Mitternacht
Nase.
Er wusste, dass dieser Albtraum nicht real war. Aber wie sollte man sich diesem Schrecken entziehen? Im Westen brach der Drachenberg aus, wütende Rauchwolken quollen dem Himmel entgegen. Der gesamte Berg schien in Flammen zu stehen, rote Flüsse strömten seine Flanken hinab. Perrin konnte fühlen, wie er erzitterte und starb. Gebäude zersprangen, erbebten, schmolzen, zerbrachen. Menschen starben, von Steinen erschlagen oder verbrannt.
Nein. Er würde sich nicht dort hineinziehen lassen. Vor ihm verwandelten sich die zerborstenen Pflastersteine in saubere Bodenfliesen und den Dienstboteneingang der Weißen Burg. Perrin zwang sich auf die Füße und erschuf einen Stab, an dem er humpeln konnte.
Er vernichtete den Albtraum nicht; er musste den Schlächter finden. Möglicherweise war er an diesem schrecklichen Ort im Vorteil. Der Schlächter kannte sich sehr gut mit Tel’aran’rhiod aus, aber vielleicht - falls das Glück auf Perrins Seite stand - war der Mann geschickt genug gewesen, um Albträumen in der Vergangenheit aus dem Weg zu gehen. Vielleicht würde er sich von dem hier überraschen und in ihn hineinziehen lassen.
Zögernd schwächte Perrin seine Entschlossenheit und ließ sich wieder in den Albtraum ziehen. Der Schlächter würde in der Nähe sein. Perrin stolperte über die Straße und hielt sich von dem Gebäude fern, aus dessen Fenstern Lava brodelte. Es fiel schwer, sich von den Schmerzensschreien abzuwenden. Von den Hilferufen.
Da, dachte Perrin, als er zu einer Gasse kam. Dort stand der Schlächter mit gesenktem Kopf und stützte sich mit einer Hand an der Hauswand ab. Neben dem Mann klaffte ein Riss im Boden, in dessen Tiefe Magma brodelte. Menschen klammerten sich schreiend an den Rand des Abgrunds. Der Schlächter ignorierte sie. Wo seine Hand die Wand berührte, fing sie an, sich von weiß getünchten Ziegeln in den grauen Stein des Burginneren zu verwandeln.
Das Ter’angreal hing noch immer an der Taille des Schlächters. Perrin musste schnell handeln.
Die Mauer schmilzt durch die Hitze, dachte Perrin und konzentrierte sich auf die Wand neben dem Schlächter. Hier fiel es leichter, auf diese Art die Dinge zu verändern - man ließ der von dem Albtraum erschaffenen Welt freie Bahn.
Fluchend riss der Schlächter die Hand zurück, als die Wand plötzlich aufglühte. Unter ihm grollte der Boden, und er riss alarmiert die Augen auf. Er fuhr herum, als sich neben ihm eine Spalte öffnete, die Perrin dort hingedacht hatte. In diesem Moment erkannte Perrin, dass der Schlächter - nur für den Bruchteil einer Sekunde - den Albtraum für die Realität hielt. Er wich vor dem Abgrund zurück und schützte sich mit erhobener Hand vor der Hitze, weil er sie für echt hielt.
Dann verschwand er und erschien neben den Traumgestalten, die über dem Abgrund hingen. Der Albtraum vereinnahmte ihn und unterwarf ihn seinen Launen, wies ihm eine Rolle im Schreckensschauspiel zu. Beinahe überwältigte er auch Perrin. Er fühlte, wie er schwankte, um ein Haar auf die Hitze reagiert hätte. Aber nein. Springer lag im Sterben. Er würde nicht versagen!
Perrin gab sich das Aussehen einer anderen Person. Azi al’Thone, einen Mann von den Zwei Flüssen. Er kleidete sich, wie er es auf der Straße gesehen hatte, Weste und weißes Hemd, eine feinere Hose, als man sie in Emondsfelde bei der Arbeit trug. Dieser Schritt überforderte ihn beinahe. Sein Herz schlug schneller, und er stolperte, als der Boden bebte. Ließ er sich völlig von dem Albtraum vereinnahmen, würde er wie der Schlächter enden.
Nein, dachte er und klammerte sich an der Erinnerung an Faile in seinem Herzen fest. An seinem Zuhause. Sein Gesicht mochte sich ändern, die Welt mochte erbeben, aber sie blieb sein Zuhause.
Er lief zum Abgrund, zur Hitze, und verhielt sich wie ein Teil des Albtraums. Vor Entsetzen laut schreiend griff er in die Tiefe, um jenen zu helfen, die in den Abgrund zu stürzen drohten. Und obwohl er nach jemand anderem griff, fluchte der Schlächter und schnappte sich seinen Arm, um sich daran hochzuziehen.
Dabei nahm sich Perrin das Ter’angreal. Der Schlächter kletterte über ihn hinweg und erreichte die relative Sicherheit der Gasse. Verstohlen erschuf Perrin ein Messer in seiner anderen Hand.
»Verflucht«, knurrte der Schlächter. »Ich hasse diesen Unsinn.« Der Boden um ihn herum verwandelte sich plötzlich in Fliesen.
Perrin richtete sich mühsam auf und bemühte sich ängstlich zu erscheinen - das fiel
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