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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
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meine Schulter. Ich ging weiter mit, um den ganzen Turm herum, an der zweiten Breitseite entlang, an der die freie Eisentreppe klebte – wie eine Spirale von unten nach oben.
    »Diese Treppe hier ist vermutlich eine Ersatztreppe«, sagte der Turmwächter, »für den Fall, dass die große Treppe, die wir gleich hinaufgehen werden, unbenutzbar ist.«
    »Und wann kommt das vor?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Sie sind doch der Turmwächter!«
    »Nun hör mir mal gut zu, junger Mann – ich meine Tim; es gibt etwa hundert Theorien über diese Türme: zu was sie gedient haben könnten und warum sie hier stehen. Das ist Sache der Wissenschaftler. Ich bin nur ein einfacher Wachmann. Das Einzige, was man mit absoluter Sicherheit weiß, ist die Tatsache, dass es Bauwerke sind.«
    »Das müssen aber Schlaumeier sein, diese Wissenschaftler«, sagte ich. »Die Türme sind also gebaut worden!«
    »Ich behaupte nicht, dass sie gebaut worden sind, sondern dass es sich um Bauwerke handelt.«

    Inzwischen waren wir wieder vor dem großen Portal gelandet, wo wir durch die vier gläsernen Drehtüren gehen mussten. Doch plötzlich hatte ich nicht den Mut dazu.
    »Nun stell dich bloß nicht so kindisch an, Tim«, sagte Herr Avla ärgerlich. »Schließlich gehe ich jeden Tag – außer sonntags und montags vormittags – hier herein. Wir steigen die erste Treppe hinauf, um auf die erste Galerie zu gelangen; dann nehmen wir die zweite Treppe zur zweiten Galerie …«
    »Und dann die dritte und die vierte und die fünfte Treppe«, flüsterte ich. »Warum? Wozu? Und was geschieht, wenn man oben angelangt ist? Stellen Sie sich vor, ich würde hinunterstürzen!«
    »Überall sind Mauerbrüstungen, Tim.«
    »Ich heiße nicht Tim. Ich weiß, dass ich nicht so heiße. Und ich weiß auch, dass ich diesen Turm kenne …«
    Herr Avla hielt mich am Nacken fest, während er mir mit der anderen Hand den Mund zuhielt. Ich befreite mich aus seinem Griff. »Wer sind Sie? Sie kennen mich doch!«
    »Nein, ich kenne dich nicht. Denn wenn du mich nicht kennst, kenne ich dich auch nicht«, flüsterte er. »Und jetzt sei still und komm mit. Denn in einem Punkt hattest du Recht: Es war gefährlich, hierher zu kommen, zu den Türmen. Obwohl du andererseits nichts Besseres hättest tun können.«
    Allmählich ließ der Schreck, der mich gepackt hatte, nach. »Warum glauben Sie das?«
    »Weil ich derjenige bin, der dir helfen kann. Ich bin dein Freund.«
    Da habe ich den alten Mann noch einmal genau angesehen und sein Gesicht kam mir plötzlich irgendwie bekannt vor. Er machte einen müden Eindruck – voller Sorgen, aber nicht ängstlich. Ich war mir nicht im Klaren, ob ich ihm vertrauen sollte oder nicht. Aber ich hatte nun keine Angst mehr vor ihm. Und so folgte ich ihm durch die Drehtüren. Wir hätten von draußen gleich wieder hinausgehen können, oder er nach drinnen und ich nach draußen, oder er nach draußen und ich nach drinnen – aber Herr Avla sorgte dafür, dass wir tatsächlich beide in den Turm hineinkamen.
    Hinter den Türen lag eine Halle, deren Fußboden mit schwarzen und graugrünen Fliesen belegt war; dann entdeckte ich eine Wand, in der lauter geheimnisvolle Kästchen saßen. Jedes Kästchen hatte eine kleine Tür mit einem Schlitz; aber sie waren alle abgeschlossen. Gegenüber der Treppe war noch eine weitere Tür, sehr groß, aus Metall und ebenfalls verschlossen; mitten darin befand sich jedoch ein rundes Glasfenster.
    Als ich durch das Guckloch schaute, sah ich einen viereckigen, kleinen, dunklen Raum: drei fensterlose Wände im Dämmerlicht sowie Fußboden und Decke. Sonst nichts.
    »Auf jeder Etage befindet sich solch eine Tür«, sagte der Turmwächter. Seine Stimme klang überraschend hart; sie schallte laut durch das Treppenhaus. »Allesamt verschlossen und auch nicht zu öffnen – was übrigens ein Glück ist, wie du gleich sehen wirst.«
    »Vielleicht Gefängniszellen?«, fragte ich.
    »Nur eine einzige Zelle, falls du Recht haben solltest. Eine Zelle mit einer ganzen Reihe von Türen.«
    »Wie bitte?«, begann ich zu fragen, aber er wartete nicht länger, sondern ging die Treppe hinauf.
    Wir stiegen zusammen empor: sieben Stufen, eine Kehrtwendung und wieder Stufen. Auch dort eine Halle, aber kleiner als unten.
    »Jetzt sind wir auf der ersten Etage«, sagte der Turmwächter. »Siehst du, hier ist auch wieder so eine verschlossene Tür mit einem Guckloch. Die Glastüren links und rechts führen hinaus auf die erste Galerie.

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