Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman
Teppich vor dem Kamin. Ich habe ein Zimmer zur Gartenseite hinaus; der Hund lag bis jetzt zu meinen Füßen, ist aber gerade weggelaufen. Téja ruft mich (diesmal meine ich das Mädchen). Gleich schreibe ich weiter.
Ich hörte also Hundegebell und da stand sie auch schon vor der offenen Türe: die rotbraune Hündin mit den langen seidigen Ohren. Sie sah mich an und wedelte mit dem Schwanz, wollte aber nicht hereinkommen. Sie bellte noch einmal, dann lief sie ein Stück weg und schaute sich um. Sie kam wieder zurück, und als ich auf sie zuging, sprang sie erneut davon und blieb dann wieder stehen. Da verstand ich, was sie mir sagen wollte: Komm, folge mir doch, geh mit!
Der Turmwächter hat mich betrogen – also brauche ich auch nicht mehr tun, was er sagt.
Ich nahm die Kokardenblume aus dem Wasserglas, trocknete den Stängel ab und legte die Blume in mein Büchlein. Ich zog meinen Anorak an, steckte Buch und Kugelschreiber in die Tasche und sah mich im Zimmer um. Es war nichts mehr da, was mir gehörte. Ich nahm das letzte Stück Brot aus dem Schrank und schlang mir den Schal um, der über einem Stuhl hing. Er gehörte Herrn Avla – aber ich musste ihm irgendetwas wegnehmen, im Tausch gegen die zwölf Seiten, die er mir gestohlen hat.
Ich ging nach draußen. Der Hund sprang an mir hoch und lief dann vor mir her. Ich folgte ihm, aber so schnell konnte ich nicht mit! »Téja«, rief ich, »Téja, warte einen Moment!« Sie tat sofort, was ich sagte – ein erstaunlich kluges Tier. Mir war völlig klar, dass sie nicht ohne Grund gekommen war.
Ich rief sie noch einmal, aber sie blieb, wo sie war; erst als ich zur Hütte zurückging, kam sie hinter mir her. Ich ging hinein und suchte zwischen allen möglichen Sachen nach Kordel. Der Hund stand in der offenen Tür und sah mir zu. Aber als ich ein Stück Kordel gefunden hatte und auf ihn zuging, lief er ein paar Schritte zurück.
»Du bist ein braver Hund«, sagte ich. »Ich will dich ja nur an die Leine nehmen, damit ich dich nicht verliere. Brav, Téja, brav – nun komm schon, komm!«
Aber sie zeigte mir ihre weißen Zähne und knurrte. Ich warf die Kordel auf den Boden und ging einfach so mit. Nur jemand wie ich, ohne Erinnerungsvermögen, kann auf eine so dumme Idee kommen: einen Hund anzubinden! Téja sorgte sehr wohl dafür, dass ich sie nicht aus den Augen verlor. Wenn sie zu weit vorausgelaufen war, blieb sie stehen und wartete, bis ich sie eingeholt hatte.
Wir gingen durch das Tor (ich sah mich nicht mehr um), über ein bepflanztes Feld, um einen kleinen See herum (es gab hier tatsächlich Enten!) und dann in die Dünen hinein, aber nicht über den Gefährlichen Pfad. (Ich bin froh, dass ich die Kokardenblume noch habe!) Ich fand den Hund immer netter. Wir aßen gemeinsam das Brot auf und manchmal lief er eine Zeit lang dicht an meiner Seite und ich legte meine Hand auf seinen Kopf. Manchmal gingen wir über schmale Wege, manchmal auch ganz ohne Weg, und wir begegneten keinem Menschen. Aber anscheinend sollte das so sein, denn ein paar Mal schoss Téja mit mir zusammen in ein Tal hinab und drückte sich dort platt in den Sand. Ich machte es genauso und dann hörten wir – gut verborgen – Menschen vorbeigehen. Der Boden war sehr nass, aber es regnete nicht mehr; mit der Zeit kam sogar die Sonne heraus und es war kein bisschen kalt. Die Dünen waren viel schöner als vorgestern, obwohl ich sie nur sehr oberflächlich betrachtete; das lag daran, dass ich dauernd überlegte, wo wir wohl hingingen. Jedenfalls nicht zum Strand; meiner Meinung nach liefen wir in Richtung Stadt – die Stadt, die ich vom Turm aus gesehen hatte. Und genauso war es. Auf einmal gingen wir über eine feste Straße und bogen dann in eine Seitenstraße ein, die auf einen Hügel hinaufführte und an der Häuser standen.
Da bekroch mich erneut so ein eigenartiges Gefühl. Der Hund blickte immer wieder zu mir auf und wedelte ein bisschen mit dem Schwanz, als ob er sagen wollte: Hab keine Angst, wir sind gleich da.
Jetzt begegneten uns auch Leute; sie sahen mich ein wenig erstaunt an. Der Hund beschleunigte seinen Schritt, ich auch.
Wieder eine Straße, schmal und gewunden; ruhige, niedrige Häuser, von Gärten umgeben – jedes anders gebaut als die anderen. Wäre ich nicht der gewesen, der ich nun einmal bin – voller Angst und ohne Erinnerung –, so wäre ich öfter stehen geblieben, um mir alles anzusehen.
Und dann waren wir plötzlich da.
Eins von diesen Häusern, weiß und
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