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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
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Mann dabei gewesen, oben in den Dünen?«
    »Ja«, sagte ich und schaute mich um. War irgendwo jemand, der uns auflauerte? Der Hund war verschwunden und ich sah keine Menschenseele.
    »Dieser Mann kann durchaus gefährlich sein«, sagte Herr Avla.
    »Weshalb? Kennen Sie ihn denn?«
    »Mir gefällt nicht, was du mir von ihm erzählt hast. Bitte, Tim, sei lieber ein wenig vorsichtiger, bis du dich hier besser eingelebt hast …«
    Ich war froh, als wir wieder sicher in unserem Haus angelangt waren (ich meine damit Herrn Avlas Haus, denn ich selbst habe ja gar kein Zuhause). Ich bin dann auch nicht mehr vor der Tür gewesen. Herr Avla wohl; er musste noch seine »Turmwächterrunde« durch das Gebäude machen. Immer wieder sagt er mir, ich solle vorsichtig sein. Und doch finde ich den Hund lieb!
    Nachts, 32. Februar 5) 1. März 6)
    5) durchgestrichen
    6) unterstrichen
    Auch Herr Avla hat eine Weile geschrieben. (Er lässt es mich ebenfalls nicht lesen und versteckt es in der Kiste, die er dann zuschließt.) Danach ist er zu Bett gegangen und ich kroch in meinen Schlafsack. Er schnarcht und schnarcht und ich kann nicht schlafen. Jetzt sitze ich wieder am Tisch; ich habe das Licht angemacht und schreibe noch ein wenig weiter. Ich habe schon einen Krampf in den Fingern, aber es muss einfach gehen. Ich erinnere mich an verschiedene Dinge – unabhängig voneinander, kreuz und quer, von allem ein bisschen.
    Während des Essens habe ich ihn gefragt, wo Engelland liegt, und er sagte: »In der Richtung des Sonnenuntergangs, am anderen Ende der See.«
    Jetzt weiß ich auch, was Engel sind; sie haben Flügel wie die Schwäne. Aber ich weiß auch, dass es keine Engel gibt. Engelland besteht also nicht, da es keine Engel gibt. Sie alle erzählen mir also Märchen.
    Und doch – ich weiß nicht so recht. Manchmal glaube ich, dass Engelland doch existiert. Gerade eben sah ich mich an einem anderen Tisch sitzen; neben mir, vor mir und hinter mir saßen noch mehr junge Leute, ebenfalls an Tischen. Gegenüber ein grauschwarzes Brett an der Wand, zur Hälfte verdeckt von einem großen Tuch – einer Karte, Landkarte. Engelland, Holland, Deutschland, Engelland. Schule. Unterwegs nach Engelland.
    Jetzt ist das Bild wieder weg. Existiert Engelland nun oder existiert es nicht? Und wenn ich doch weiß, was Engel sind, wieso sollte es sie dann nicht geben? Ich erinnere mich zwar nicht an einen speziellen Engel, aber das besagt nichts.
    Es ist zum Verrücktwerden – wenn mein Gehirn nur besser schalten würde! Je mehr ich nachdenke, desto weniger – 7)
    7) abgebrochener Satz
    Ich versuche, das Lied noch einmal zu singen.
    Es macht mich traurig.
    Herr Avla bewegt sich. Sein Haar steht zu Berg, es ist schneeweiß.
    Er wird wach; ich höre auf.
    »Ich glaube, du hast sie nicht mehr alle beisammen! Man kann’s auch übertreiben, du brauchst nicht auch noch nachts zu schreiben« (das reimt sich!), sagte Herr Avla. Er sah auf die Uhr. »Drei Uhr – der neue Tag hat schon längst angefangen.«
    Jeder Tag beginnt um zwölf Uhr nachts, sagt er.
    Ich finde das sonderbar; warum nicht bei Sonnenaufgang? Aber ich habe ein neues Datum hingeschrieben.
    Herr Avla tat zwar brummig und ungehalten, aber er war doch sehr nett zu mir. Er stieg aus dem Bett, schürte das Feuer im Herd an und machte uns Tee. »Du vertraust mir nicht – stimmt’s?«, sagte er. »Das kann ich gut verstehen; in deiner Situation würde ich ebenfalls …« und so weiter.
    Inzwischen habe ich Vertrauen zu ihm und so gab ich ihm mein Tagebuch. Er las hier und da ein paar Zeilen; morgen (das heißt heute nach Sonnenaufgang) wird er alles lesen und mit mir darüber sprechen. Dann musste ich das Datum ändern, denn wir haben nicht den 32. Februar, sondern den 1. März!
    Nach Februar kommt März; ich erinnerte mich jedoch nicht daran, wie viele Tage jeder einzelne Monat hat. Er wollte es mir nicht sagen, sondern ließ mich raten. »Welche Zahl fällt dir als Erstes ein?«
    Ich sagte »30« und er sagte: »Sehr gut.« Ich fing an, noch weitere Zahlen zu nennen, aber er ließ mich nicht weiterreden, sondern holte einen großen Bogen Papier voller Buchstaben und Zahlen aus seiner Kiste und erklärte mir alles. Ein Jahr besteht aus zwölf Monaten; ich habe sie auf der ersten Seite notiert. Ein Monat hat 30 Tage. 12 × 30 = 360, doch das sind nicht alle Tage, die ein Jahr hat; ich wusste es sofort wieder, als er es mir sagte. Ein Jahr dauert ungefähr 365 Tage (das hat damit zu tun, dass die

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