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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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dem Mann seinen Inhalt entgegen. Die Energieklinge schloß kurz, dampfte und ging aus. Der Strahl schoß, ohne größeren Schaden anzurichten, über den Arm des weißhaarigen Mädchens.
    Aber nun war ihr sicheres Versteck verraten. Das zurückspringende Mädchen schaute Clea an – und Clea sie. Ihre Augen! dachte sie. Großer Gott, sie hat keine Augen!
    Aber jetzt kam einer auf sie zugestürmt! Der Mann mit der Energieklinge! Sie trat mit dem Fuß nach ihm und wich aus, während sie gleichzeitig dachte: er trägt sein ganzes Gewicht mit dem linken Bein und benutzt sein rechtes, um mich anzuspringen. Als er sie fast erreicht hatte, stieß sie ihren harten Absatz mit aller Kraft auf seinen rechten Fuß – er trug keine Schuhe – und rammte ihm den Ellbogen in den Bauch.
    Während er zu Boden ging, hastete sie davon. Sie hörte ihre eigenen Schritte, gefolgt von weiteren, leichten, die ihre überholten. Sie wirbelte herum. Ich werde mich auf ihn werfen und sofort in den Hals beißen, dachte sie. Damit rechnet niemand.
    Doch sie hielt abrupt inne, als sie sich drehte. Aber sie hat ja Augen, wunderte sie sich. Strahlend blaue Augen! Die beiden Frauen befanden sich nun unter einer Straßenlampe.
    »Kommen Sie, schnell!« drängte das Mädchen. »Hier entlang. Sie verfolgen uns noch!«
    Sie rannten um die nächsten Ecke, einen Häuserblock hinunter und durch zwei sich kreuzende Gassen.
    Clea keuchte nach Luft, als das Mädchen sagte: »He, Sie kämpfen aber gut!«
    Überrascht sah Clea das Mädchen an. »Oh, danke!« Dann rief sie erschrocken: »Ihr Arm! Was ist mit Ihrem Arm?«
    Das Mädchen drückte die linke Hand auf ihre rechte Schulter. »Nichts«, murmelte sie.
    »Sie sind verletzt!« Clea blickte zu dem Straßenschild hoch. »Hören Sie, ich wohnte nur etwa acht Blocks von hier. Kommen Sie mit, dann kann ich ihn versorgen.« Und herausfinden, wer du bist, dachte sie.
    »Gern, Dr. Koshar. Danke.«
    Es gab Clea einen Ruck, aber sie schwieg.
     
    Mit dem Daumen vor dem Abdruckschloß hielt Clea an und fragte: »Wer hat Sie zu mir geschickt? Und nennen Sie mich doch bitte Clea.«
    »Ich heiße Alter«, sagte das Mädchen, als sie die Tür aufschwang und sie eintraten.
    »Setzen Sie sich in diesen Sessel, Alter, und ziehen Sie Ihre Bluse aus.« Clea ging ins Badezimmer und kehrte mit drei Fläschchen, einer Mullbinde und Klebeband zurück. »Sie haben mir noch nicht gesagt, wer Sie schickt. Huuuh … Das sieht ja aus, als wäre Ihr Schulter in einen Gemüseschneider geraten!«
    »Wenn Sie die Klinge nicht kurzgeschlossen hätten, sähe es viel schlimmer aus. Mein Arm wurde früher schon einmal verletzt, seither mache ich mir immer Sorgen um ihn.« sie fügte hinzu, »Sie haben mir noch keine Zeit dazu gelassen.«
    »Ich möchte wissen, woher sie diese Waffen überhaupt haben. Sie sind nur für die Wächter und das Militär.«
    »Von ihnen haben sie sie auch.« Alter zuckte zusammen, als die klare Flüssigkeit über ihre Wunde floß, und entspannte sich, nachdem eine rote gefolgt war. »Direkt hat mich niemand hierhergeschickt«, sagte sie nun.
    »Vielleicht will ich es auch gar nicht wissen. Oh, was ist das?« Sie tastete nach einem dünnen Lederband um den Hals des Mädchens, auf dem grüne, rote und goldenbraune, polierte Muscheln aufgereiht waren.
    »Ein Junge schenkte es mir«, murmelte Alter. »Es ist nur eine Halskette.«
    »Sie war einmal zerbrochen und wurde wieder repariert«, stellte Clea fest.
    »Das stimmt. Genau wie mein Arm. Woher wissen Sie das?«
    »Ich bemerke sehr viel und ziehe meine Schlüsse«, erwiderte Clea, »und ich möchte, daß Sie das wissen.« Sie klebte vier Streifen über den dicken Mullverband auf Alters Schulter. Aus dem Kühlschrank holte sie eine Schale mit frischen Früchten, die sie auf den Tisch stellte. »Haben Sie Hunger?«
    »Mhm.« Alter stürzte sich über das Obst und blickte nur einmal auf, um »Danke« zu sagen.
    »Wissen Sie, wenn die Regierung Sie geschickt hat, hätte es gar keinen Sinn, davonlaufen zu wollen. Aber wenn es jemand anderer ist …«
    »Ihr Bruder«, sagte Alter. »Und Arkor und die Herzogin Petra.«
    »Was ist mit meinem Bruder?« fragte Clea.
    »Er hat mich nicht geschickt«, murmelte Alter kauend. »Jedenfalls nicht direkt. Aber die drei haben mir gesagt, wo Sie sind. Da entschloß ich mich, Sie zu besuchen, um zu sehen, was Sie für eine Frau sind.«
    »Und was für eine Frau bin ich?«
    »Sie kämpfen gut.« Alter grinste.
    Clea lächelte zurück.

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