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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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auch hinaus, einen Eber jagen oder einen Hirsch – und draußen, das ist nicht mehr zu Hause. Das ist …« Er hielt inne.
    »Der Rest der weiten Welt«, half Tel.
    »Richtig. Und sie ist sehr groß und weit, weißt du?«
    Tel nickte.
    »Der Rest der weiten Welt«, wiederholte Lug. »Da ist es ganz anders als daheim. Zu Hause ist eben etwas völlig Verschiedenes. Daheim …« Wieder machte er eine Pause. »Daheim ist, wo ich lebe.« Plötzlich grinste Lug verschmitzt. »All ihr so großen, so weisen Männer, die um das Ende der Kette herum finden, müßt das für furchtbar dumm halten.«
    »Hältst du es denn für dumm?«
    »Nein«, antwortete Lug. »Aber …«
    »Dann denk nicht mehr darüber nach. Es ist nämlich gar nicht dumm.«
    Lug runzelte die Stirn, dann schien er zufrieden zu sein. Er trat vom Fels weg und hopste erneut ein paar Tanzschritte. Dann blieb er stehen und blickte hoch. »Keine Sonne«, murmelte er. »Kein Mond. Zu Hause ist, wo ich lebe, und dann gibt es noch den Rest der weiten Welt. Aber wo sind wir hier?« Er starrte durch den Dunst. »Nirgendwo?«
    Tel blickte auf Lugs zehenoffene Stiefel. »Werden deine Füße denn nicht schmutzig?« fragte er. Da die großen Zehen der Neandertaler verhältnismäßig geschickt waren, fühlte sie sich in geschlossenen Stiefeln nicht wohl, weil sie dann die Zehen nicht benutzen konnten, um etwas aufzuheben, beispielsweise.
    »Sie sind schon zu schmutzig«, brummte Lug und wriggelte die Zehen in der weichen Erde. »Ich muß sie waschen.« Er blickte wieder auf. »Was ist dein Zuhause? Der Ort, wo du lebst?«
    »Nein«, erwiderte Tel. »Zumindest habe ich dort schon lange nicht mehr gelebt, seit fast drei Jahren nicht mehr. Ich bin von zu Hause fort, als ich vierzehn war. Ich ging nach Toron.«
    »Manche von meinem Volk gehen auch dorthin. Ich weiß nicht, ob es mir da gefallen würde. Die, die zurückkamen, sagten, alles sei dort schrecklich kompliziert.«
    »Das ist es auch.«
    »Was hast du in der Stadt gemacht?«
    »Oh, mich herumgetrieben«, erwiderte Tel ausweichend. »Ich konnte keinen Job finden, weil es einfach nicht genügend gab, und dann landete ich eben in der Armee.« Wieder lehnten die beiden sich an den Fels. »Sag, hat Illu dir etwas über deinen Freund Quorl erzählt?«
    »Er ist nicht mehr mein Freund. Er soll eine ganz wichtige Persönlichkeit hier sein. Aber was er tut, weiß ich nicht.«
    »Vielleicht kundschaftet er den Feind aus, und sie nennen ihn deshalb Späher. Es würde mich interessieren, ob er weiß, wie der Feind aussieht.«
    »Du hast recht.« Wieder runzelte Lug die Stirn. »Wie sollen wir denn gegen sie kämpfen, wenn wir sie nicht einmal als Feinde erkennen würden, falls sie hierherkämen und ›hallo‹ sagten?«
    »Wir würden sie erkennen!«
    »Ja«, murmelte Lug. »Ich glaube, das würden wir.«
     

 
7.
     
    Still funkelten die Sterne hoch über der Jacht. Wasser plätscherte gegen die Hülle. Am Horizont wurden die Türme von Toron immer kleiner und verschwanden schließlich ganz.
    »Glaubst du denn, daß wir den Prinzen nach diesen drei Jahren überhaupt wiedererkennen?« fragte Jon Arkor. Der Wind war wie eine kühle Hand auf seiner Wange, und kalte Finger spielten mit seinem Haar.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte der Riese. »Mit seinem Körper wird auch sein Geist gewachsen sein und sich verändert haben.«
    Jon lehnte sich in den Wind und starrte in die Dunkelheit. Schließlich richtete er sich auf. »Wir sollten uns schlafen legen. Bei Morgengrauen kommen wir an.«
     
    Die Sonne brach durch eine Schicht der Nacht nach der anderen, bis sie blutrot über dem Wasser barst. Die Küste war bereits in Sicht. Der Wald reichte bis nahe an sie heran. Früher einmal war hier der Hafen für die auf die Insel Auswandernden gewesen. Jetzt schob sich dort, wo vor drei Jahren ein Kampfflugzeug abgestürzt war, ein rußgeschwärzter Kai in die Flut.
    Als Jon in der Morgenkühle an Deck trat, sah er, daß keine anderen Schiffe vor Anker lagen. Hoch über ihm pfiffen schnelle Flugzeuge durch die Luft. Es waren Militärtransporter mit Rekruten, die sie von Toron nach Telphar brachten.
    Als Arkor sich ihm an Deck anschloß, hatte die Jacht den Pier bereits erreicht, und ein paar Dockarbeiter erboten sich, sie zu vertäuen, aber der Riese hatte die schwere Trosse schon hochgehoben und tat die Arbeit selbst.
     
    Eine halbe Stunde später standen sie unter den Bäumen. Arkor stützte eine Hand an einen faßdicken Eichenstamm und

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