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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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lauschte.
    »Du bist jetzt zu Hause«, sagte Jon. »Ist es ein schönes Gefühl?«
    Der Riese schüttelte den Kopf. »Nicht so, wie du denkst.« Seine Augen verengten sich. »Ich höre noch niemanden. Komm, wir nehmen diese Richtung.«
    Mit erstaunlicher Schnelligkeit kamen sie in der nächsten Stunde voran. Plötzlich wurde der Wald dünner, und Jon bemerkte ein Glitzern vor sich wie Sonnenschein auf dem Meer. Sie erreichten eine Klippe mit zerklüfteter Wand, wo Reste von Geröllawinen auf den verschiedenen Simsen lagerten. Etwa fünfzehn Meter unterhalb, aber immer noch gut dreißig Meter über dem Wasser, befand sich ein riesiges Plateau. Die Sonne brannte heiß auf die steinerne Fläche, und der kleine Tempel am Rand der Hochebene warf einen scharfen Schatten.
    »Der Priester ist dort. Wir klettern hinunter.«
    Noch ehe sie unten ankamen, trat ein Mann aus dem Tempel. Er trug ein schwarzes Gewand, und Muscheln an einem schmalen Lederband aufgereiht darüber. Sein Gesicht verriet ein hohes Alter.
    »Weshalb bist du zurückgekehrt?« fragte der Priester Arkor.
    »Um den jungen König nach Toron zurückzubringen, damit er den Thron besteigt. Sein Bruder, König Uske, ist tot.«
    »Es gibt keine Könige im Wald«, sagte der Priester barsch. »Du hast uns verlassen, weshalb kommst du wieder?«
    Arkor schwieg einen Augenblick, ehe er sagte: »Vor drei Jahren kam ein junger blonder Bursche in den Wald. Er war des Königs jüngerer Bruder. Der König ist tot. Jetzt muß der Junge regieren.«
    Jon bemerkte, daß der Priester nicht mit den drei Narben der Telepathen gezeichnet war.
    »Willst du etwas von ihm? Willst du etwas aus seinem Geist entnehmen? Du weißt, daß das nicht erlaubt ist.«
    »Ich werde nichts aus seinem Geist nehmen«, versicherte ihm Arkor. »Seine Einwilligung wird gegeben, nicht genommen werden.«
    »Er gehört nicht dem Waldvolk an?«
    »Nein. Er kam hierher und bat um Gastfreundschaft. Es ist sein Recht, den Wald nach Belieben wieder zu verlassen. Habe ich deine Erlaubnis, nach ihm zu suchen?«
    In der Stille bis zur Antwort des Priesters warfen sich zwei Wellen gegen das zerbröckelnde Gestein. »Du magst auf deine Weise nach ihm suchen«, gestattete der Priester schließlich und kehrte in seinen Tempel zurück.
    Jon und Arkor stiegen den steilen Pfad hoch, der in den Wald führte. »Was hatte das zu bedeuten?« erkundigte sich Jon.
    »Wieviel davon hast du verstanden?« fragte Arkor. »Ich meine nicht von den Worten, sondern vom Sinn?«
    »Du hast um seine Erlaubnis gebeten, Prinz Let zu suchen – und ihm erklärt, weshalb du kamst.«
    »Ja, aber noch viel mehr als das. Ich – nun, wie würdest du sagen? – erkannte damit den Status quo an. Du mußt wissen, daß die Telepathen unter dem Waldvolk eine recht unsichere und nicht gerade angenehme Stellung einnehmen. Das war übrigens der Grund, weshalb ich von hier fort bin. Man betrachtet sie als überlegen und fürchtet sie deshalb. Es ist jedoch so gut wie sicher, daß im Laufe der Evolution alle Wächter als Telepathen geboren werden. Aber inzwischen fühlen die normalen Waldwächter sich von der Minderheit der Telepathen bedroht. Um sie gleich zu erkennen, werden sie von dem nichttelepathischen Priester gebrandmarkt. Nur so bleibt der Frieden erhalten und die Natur kann ihren normalen Verlauf nehmen.«
    »Ich möchte nicht gern daran denken, was geschähe, wenn unter uns – Menschen Telepathen geboren würden«, murmelte Jon. »Ich glaube, bei uns würde der Friede nicht lange anhalten.«
    Arkor nickte. »Deshalb halten wir unsere Fähigkeiten so gut wie möglich geheim vor euch.«
    »Manchmal wünschte ich mir, ich könnte auch, zumindest hin und wieder, die Gedanken anderer lesen.«
    Arkor lachte. »Es würde dir anfangs Spaß machen, doch mit der Zeit würdest du es als Last empfinden.«
    Jon zuckte die Schultern. »Wo Fangen wir an, nach Let zu suchen? Du kennst dich hier aus.«
    »Erst müssen wir auf ein paar Leute stoßen. Von ihnen erfahre ich dann, ob sie etwas über den Jungen wissen.«
    »Meinte der Priester, daß du seinetwegen in ihren Gehirnen forschen darfst, als er sagte, du magst auf deine Weise nach ihm suchen?«
    »Erraten.«
    »Vielleicht seid ihr Waldwächter zivilisierter als wir.«
    Da lachte Arkor.
     
    Ein Netzwerk von Pfaden führte durch den Wald. Sie hatten schon eine Vielzahl der Wege gekreuzt, ehe Jon in zerbrochenen Zweigen und zertretenen Blättern die ersten Zeichen menschlicher Füße bemerkte.
    »Zwei

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