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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Frauen halten dort drüben im Moos ein Schläfchen. Eine von ihnen hat den merkwürdigen hellhaarigen Jungen, der ein wenig hinkt, gesehen.« Arkor blickte Jon an. »Das müßte Let sein.«
    »Wieso hinkt er?« wunderte sich Jon.
    Arkor zuckte die Schultern. »Ein Mann, der gerade hinter den Bäumen vorbeikommt, hat einmal mit einem hellhaarigen Jungen gejagt. Vor sechs Monaten stellten sie gemeinsam Elchfallen auf.«
    Jon versuchte, durch die Bäume in die gedeutete Richtung zu sehen, aber weder erkannte, noch hörte er etwas. »In sechs Monaten kann Let weit gekommen sein«, gab er zu bedenken.
    »Stimmt.« Abrupt blieb Arkor stehen und zog Jon neben sich.
    Einen Augenblick später teilte sich das Laubwerk vor ihnen, und ein hochgewachsener Wächter mit einer breiten weißen Strähne im schwarzen Haar trat auf sie zu. Drei Narben verliefen über seine linke Wange und den Hals.
    »Ihr wollt den jungen Fremden holen«, sagte er.
    »Du weißt, wo er jetzt ist«, sagte Arkor. »Du weißt, daß er oben zwischen den hohen Felsen herumsteigt. Jetzt stützt er sich auf seinen Stock und blickt blinzelnd zum Himmel hoch.«
    »Du wirst dem Gedankengewebe folgen, das ihn in der Mitte hält«, sagte der Wächter mit der weißen Strähne. Ohne weitere Worte schritt Arkor dahin, und der andere setzte seinen Weg fort.
    »Jetzt weißt du, wo Let ist?« fragte Jon. »Weshalb hast du laut gesprochen?«
    »Aus Höflichkeit dir gegenüber.«
    Das Licht, das durch das Laubdach drang, wurde mit dem sich nähernden Mittag gelber. Einmal hörten sie in der Ferne ein Tier schreien. Und einmal folgten sie eine Weile einem Bach, bis er im felsigen Gestein verschwand. »Etwas stimmt nicht«, murmelte Arkor plötzlich.
    »Mit dem Prinzen?«
    »Nein, mit dem Gedankenmuster, dem ich folge.«
    »Welches Gedankenmuster?«
    »Es ist wie ein Radarnetz, das alle Telepathen, oder zumindest die meisten, für Richtung und Information aufrechterhalten. Man braucht eine Erlaubnis, um es zu benutzen. Aber irgend etwas stimmt damit nicht. Etwas daran ist unklar, dunkel, als verberge es etwas.« Er blieb stehen und zog die Brauen zusammen. »Jon, es ähnelt genau dem, das ich im Geist deiner Schwester und des Königs sah.«
    »Weshalb ist es auch hier? Kannst du denn nicht jetzt ergründen, was es bedeutet?«
    Arkor schüttelte den Kopf. »Nein, leider. Der Prinz ist übrigens dort hinter diesen Bäumen. Ich glaube, es ist besser, du sprichst erst allein mit ihm. Er wird sich schneller an früher erinnern, wenn ein Mensch ihm dabei hilft.«
     
    Die Gestalt wirbelte herum. Die hellen Augen in dem dunklen Gesicht verengten sich.
    »Eure Majestät?« sagte Jon.
    Das lange, naturblonde Haar war in ungleichmäßigen Strähnen sonnengebleicht.
    »Ist Ihr Name Let? Sind Sie der Thronfolger von Toromon?«
    Die Gestalt stand ganz still. In den braunen Händen hielt sie einen Stock. Sie trug die Kleidung der Waldwächter: eine lederne Hose und um eine Schulter ein Fell.
    »Eure Majestät?« fragte Jon erneut.
    Die Augen verengten sich nun und wirkten ungewöhnlich hell in dem tief sonnengebräunten Gesicht. »Verzeihen – verzeihen Sie.«
    Die Stimme klang rauh, trotz ihrer Jugend. »Ich – ich habe schon so lange nicht mehr gesprochen.«
    Jon lächelte. »Erinnern Sie sich an mich? Ein Freund und ich brachten Sie vor drei Jahren hierher. Nun möchten wir Sie gern zurückholen. Sie entsinnen sich doch bestimmt, daß Herzogin Petra veranlaßte, Sie hier in Sicherheit zu bringen.«
    »Petra?« Er hielt inne und blickte zu den Bäumen hoch, als könnten sie ihm eine Antwort geben. »Meine Cousine Petra? Die mir die Geschichte über den Gefangenen erzählte, der zu fliehen versuchte?«
    »Stimmt. Und ich bin dieser entflohene Gefangene.«
    »Weshalb sind Sie hierhergekommen?«
    »Ihr Bruder ist tot. Sie müssen den Thron besteigen.«
    »Kannten Sie meinen Bruder?«
    »Früher, vor langer Zeit, ehe ich ins Straflager geschickt wurde.« Jon machte eine Pause. »Ich war damals etwa so alt, wie Sie jetzt sind.«
    »Oh«, murmelte der Prinz. Er trat ein paar Schritte näher, da bemerkte Jon, daß er ein wenig hinkte. »Es herrscht Krieg«, sagte Let. »Ich höre sie darüber reden, wenn sie hin und wieder Leute von hier holen, um sie gegen den – Feind jenseits der Barriere einzusetzen. Ich werde viel lernen und viel tun müssen. Ich erinnere mich jetzt wieder.« Als sie durch die Bäume zu Arkor gingen, staunte Jon, mit welcher Schnelligkeit der junge Mann sich der neuen

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