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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Pfeifenzüge lang dem Genuß des würzigen Tabaks hin, bevor er sagte: »Ich nehme an, du bist mir wiederum gefolgt, als ich in der Stunde vor Mitternacht das Haus verlassen habe.«
    »Ja, das bin ich.«
    »Darin mußt du wirklich geschickt sein. Ich habe nichts von alldem bemerkt.«
    »Der Nebel hat mir geholfen, mich zu verstecken, und außerdem bin ich leise.«
    »Bis wohin bist du mir gefolgt?«
    »Bis in das Lagerhaus am Hafen.«
    Jetzt war Katoen doch erstaunt. »Wie bist du aus der Stadt herausgekommen?«
    »Durch das Stadttor, genau wie Ihr. Als die Wachen das Tor geschlossen hatten, war ich längst durchgeschlüpft.«
    »Wenn das nicht gegen die Wachen spricht, dann spricht es für deine Fähigkeiten. Und wie war das mit dem Lagerhaus, bist du da auch schnell durch die Tür geschlüpft?«
    »Nein, das ging nicht, die Männer haben sie zu schnell zugemacht. Aber ich hab ein loses Brett entdeckt. Ich mußte die Lücke nur ein wenig erweitern, und dann konnte ich rein.«
    Was Felix da erzählte, mochte für einen ahnungslosen Zuhörer unglaublich klingen, aber Katoen zweifelte keinen Augenblick an seinen Worten. Er hatte sich schon in jener Nacht, in der er dem Jungen zum ersten Mal begegnet war, von dessen außergewöhnlichen Fähigkeiten überzeugen können. Nicht ohne Grund hatte Dircks ihn ›Schlangenkind‹ genannt. Kein Wunder, daß es ihm innerhalb der kurzen Zeit schon zweimal gelungen war, aus dem Waisenhaus zu entwischen.
    »Wie lange bist du mir danach noch gefolgt?« fragte Katoen.
    »Gar nicht mehr. Ich bin in dem Lagerhaus geblieben.«
    »Auch nachdem ich gegangen war?«
    »Ja.«
    »Aber warum?«
    »Ich wollte Euch helfen. Ich dachte, die Männer reden was, wenn Ihr fort seid. Was, das Euch weiterbringt. Ich wollte doch …« Felix schluckte und senkte den Blick.
    »Ja, was?«
    Leise fuhr Felix fort: »Ich wollte Euch zeigen, daß ich zu was nütze bin, damit ich bei Euch bleiben kann.«
    Katoen warf einen Blick auf den Lederbeutel, den Felix mitgebracht hatte. »Du bist sogar mehr als nützlich, möchte ich sagen. Aber wie bist du an den Beutel herangekommen?«
    »Als Ihr weg wart, haben die Männer sich unterhalten. Über das Buch und die Karte, nach denen Ihr gefragt hattet. Sie haben gelacht und gesagt, daß beides doch vor Eurer Nase gewesen ist. Und der ohne Nasenspitze hat dabei auf diesen Beutel gezeigt.«
    »Wo hat der gestanden?«
    »Hinter dem Mann mit der Maske. Solange der an seinem Platz saß, konnte man den Beutel nicht sehen.«
    Ob er wollte oder nicht, Katoen ärgerte sich darüber, daß die Kartenschnapper Buch und Karte doch dabeigehabt hatten. Hätten sie die Sachen herausgerückt, wenn er stärker darauf gedrängt hätte? Oder hatten sie ein Angebot erwartet, das über die zwölftausend Gulden hinausging? Er wußte es nicht und schluckte seinen Ärger herunter. Dank Felix war er jetzt im Besitz beider Sachen, ohne etwas dafür bezahlt zu haben.
    »Wie hast du den Beutel an dich gebracht, Felix? Noch im Lagerhaus?«
    »Nein, die Männer haben das Haus kurz nach Euch verlassen, mit einem großen Ruderboot«, sagte der Junge und bestätigte damit Katoens Vermutung. »Ich bin auch rauf auf das Boot und hab mich unter der Persenning versteckt. Die Männer sind außerhalb der Stadt an Land gegangen und haben in einem alten Bauernhaus übernachtet. Da wollten sie warten, bis am Morgen die Stadttore geöffnet werden. Als sie schliefen, hab ich mir den Beutel geholt und bin zurück zur Stadt.«
    »Hatten die Kartenschnapper keinen Wachposten aufgestellt?«
    »Doch, aber dem sind so oft die Augen zugefallen, daß er mich nicht bemerkt hat.«
    Felix grinste. Offensichtlich hatte ihm das nächtliche Abenteuer, so unbequem und gefährlich es auch gewesen sein mochte, Spaß gemacht.
    »Du warst sehr mutig, aber auch sehr leichtsinnig«, sagte Katoen. »Wenn die Kartenschnapper dich erwischt hätten, wärst du jetzt wohl nicht mehr am Leben.« Und obwohl er die Antwort ahnte, fragte er: »Warum hast du das alles auf dich genommen?«
    »Für Euch.«
    So knapp die Antwort auch ausfiel, so sehr berührte sie Katoen. Einige Minuten rauchte er schweigend seine Pfeife und dachte über Felix nach. Das Vertrauen, das der Junge in ihn setzte, freute ihn, aber es bedeutete auch eine Last. Zum ersten Mal in seinem Leben als erwachsener Mann fühlte er sich für einen anderen Menschen verantwortlich, und er fragte sich, ob er das wollte oder ob Felix zu viel von ihm erwartete.
    Und da war noch etwas:

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