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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Pieter Hartig in der Nähe der Handelsbörse gesehen! Und der Apotheker hatte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als seiner Angebeteten zu erzählen, was er beobachtet hatte.
    »Arbeitet dein Apotheker neuerdings auch als Spion für dich, Catrijn?«
    »Pieter war zufällig zugegen, er mußte eine Lieferung zum Singel bringen. Du glaubst doch nicht, daß ich es nötig habe, dir nachzuspionieren!«
    Van der Zyl hob beschwichtigend die Hände. »Bitte, bitte, keinen Streit am Tag des Herrn! Wenn Jeremias verabredet ist, werden wir uns eben ein andermal gemütlich zusammensetzen. Vielleicht können wir dann bereits die Festnahme des Tulpenmörders feiern!«
    Katoen verabschiedete sich von den beiden und empfand große Erleichterung, als er die Nieuwe Kerk hinter sich ließ. Ihm war nicht danach, diesen schönen Tag mit Catrijn und ihrem Bruder zu verbringen, deshalb hatte er ein wenig geschwindelt. Er war nicht verabredet, aber er hatte doch ein Versprechen abgegeben, das er einlösen wollte. Eilig überquerte er den Dam und folgte dem Verlauf des Rokins, der eine Verlängerung des Damraks auf der anderen Seite des Dams darstellte, bis zur Amstel und zum Waisenhaus. Er sprach kurz mit dem Hausvater, während Felix geholt wurde. Der Junge staunte nicht schlecht, als er ihn entdeckte. Vermutlich hatte er nicht so recht geglaubt, daß Katoen sich tatsächlich um ihn kümmern und nach ihm sehen würde.
    »Der Herr Amtsinspektor ist gekommen, um dich zu einem Ausflug abzuholen, Felix«, sagte der Hausvater in dem ihm eigenen Ton, der stets etwas zu würdevoll und feierlich klang. »Du bist ein braver Junge gewesen, also hast du dir den Ausflug verdient. Ich wünsche dir einen schönen Tag!«
    Katoen mußte sich auf die Unterlippe beißen, um nicht zu lachen, als der Hausvater Felix einen braven Jungen nannte. Schließlich war Felix erst drei Tage zuvor ausgerissen, aber diese Tatsache schien durch Katoens Spende für die Waisenkasse aus dem Gedächtnis des Hausvaters gelöscht worden zu sein.
    Als sie draußen standen, fragte er den Jungen: »Wie war das Essen heute?«
    »Es gab genug.«
    »Aha. Und wie hat es geschmeckt?«
    »Hm«, machte Felix nur und schnitt eine Grimasse.
    »Dann nehme ich an, du hast noch Appetit.«
    Das Aufleuchten in den Augen des Jungen war Antwort genug. Sie suchten die nächste Garküche auf, und Felix durfte sich etwas aussuchen. Er entschied sich für in Honig gewälzte Mandelküchlein und bekam dazu einen großen Becher Milch. Katoen, der etwas Herzhaftes bevorzugte, bestellte sich gekochte Muscheln, frischen Spargel und dazu ein kaltes Bier. Daß Felix tatsächlich noch hungrig war, zeigte sich daran, daß er kein einziges Mandelküchlein auf dem Teller ließ.
    Nach dem Essen mietete Katoen ein Ruderboot. Sie fuhren damit zur Prinsengracht und umrundeten gemächlich das alte Amsterdam. Katoen erklärte dem Jungen alle Sehenswürdigkeiten und staunte, wie wenig Felix von alldem wußte. Sein Revier waren bislang die engen, schmutzigen Gassen des Hafenviertels gewesen. Katoen wollte ihm zeigen, daß die Stadt auch schöne Seiten hatte.
    Als vor ihnen die Westerkerk auftauchte, fühlte er sich an sein nächtliches Abenteuer in der Sargmacherei erinnert. Schnell verdrängte er die Gedanken an den Kuppler Dircks, die Kartenschnapper und den Tulpenmörder, sie sollten sein Beisammensein mit Felix nicht stören. Er ruderte in die Rozengracht hinein und legte vor dem Nieuwe Doolhof an, dem Vergnügungsgarten, den der aus Frankfurt stammende Mechaniker David Lingelbach angelegt hatte und der deshalb auch Lingelbachs Irrgarten genannt wurde. Dabei war der eigentliche Irrgarten nur ein Teil der Attraktionen, die ständig verbessert und erweitert wurden. Zahlreiche mechanische Schaubilder, die Szenen aus der Bibel und aus der Geschichte der Niederlande zeigten, begannen sich zu bewegen, sobald man eine Münze einwarf; anderen Automaten entlockte man mit einer kleinen Spende vergnügliche Musik.
    Katoen lag richtig mit der Annahme, daß es Felix hier gefallen könnte. Mit der Zeit wurde der Junge immer lebendiger, tanzte zu den verschiedenen Melodien der mechanischen Musikanten und klatschte bei besonders spannenden Schaubildern begeistert in die Hände. Wenn Katoen ihm die Bedeutung der Szenen erklärte, hörte er andächtig zu und stellte hin und wieder Fragen, die immer den Kern der Sache trafen. Zweifellos war Felix ein sehr aufgeweckter Junge, auch wenn er, abgesehen von den wenigen Tagen im Waisenhaus,

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