Die Ueberbuchte
sich die Frau mit bitterböser Miene.
Der Mann beugte sich zu ihr hinüber, gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und flüsterte: »Ist ja schon gut, mein Schatz!« Er erhob sich auch sofort und streckte ihr in versöhnlicher Geste die Hand entgegen. »Komm, wir sehen uns noch ein bisschen draußen um.«
Knut wandte sich an Lena: »Und du, was hast du heute noch vor?«
Sie hob unentschlossen die Schultern. »Mal sehen …«
Und während sie langsam nach draußen gingen, wies Lena mit dem Kopf zum Himmel. »Sieh nur, es ist gerade mal einundzwanzig Uhr und schon so dunkel.«
Knut aber, dessen Gedanken anscheinend ganz wo anders weilten, sagte unvermittelt: »Sag mal, Lena, was der Mann vorhin so von sich gegeben hat, will mir nicht recht einleuchten.«
»So, und warum nicht?«
»Weil ich nicht glauben kann, dass der Aufbau im Osten nicht besser vorankommen soll – das ist doch nichts weiter als makabere Schwarzseherei.«
»Wie liebend gern würde ich dir darin beipflichten, aber leider, Knut, ich fürchte der Mann hat recht – ich sehe es nämlich genauso.« Sie seufzte kurz. »Überlege doch mal, im Augenblick hat zwar die Bauindustrie einen kolossalen Boom, aber auch der wird nicht ewig andauern. Maximal zwei bis drei Jahre, dann wird gerade diese Branche einen riesigen Einbruch erleben. Was natürlich die Arbeitslosenzahl in astronomische Höhen treiben wird. Zumal die momentan veröffentlichen Arbeitslosenzahlen sowieso nicht stimmen – doppelt so hoch, das könnte eher hinkommen. Aber wozu erzähle ich dir das; das weiß doch eh jeder.«
»Das mag ja alles sein«, unterbrach er sie ungeduldig. »Trotzdem kann ich nicht glauben, dass die Wirtschaft so schwer, oder gar, überhaupt nicht auf die Beine kommen soll – das will mir nicht recht einleuchten.«
»Von überhaupt nicht auf die Beine kommen, war so weit ich mich erinnern kann, auch nie die Rede gewesen; halt nur sehr langsam, und mit vielen Rückschlägen gepflastert. Rückschläge, die zumeist aus der mangelnden Überprüfung, allgemeiner Unkenntnis, und vor allem aus der anfänglichen Vertrauensseligkeit heraus resultieren.« Sie sah überlegend zur Seite, wandte sich ihm aber gleich wieder zu, und fuhr fort: »Weißt du, was ich manchmal denke, dass es sinnvoller gewesen wäre, nicht nur den Osten gnadenlos anzupassen, sondern den Westen gleichermaßen mit anzupassen.«
»Ach du lieber Himmel, Lena, lass das bloß keinen hören! Du scheinst zu vergessen, dass alte, tiefverwurzelte Strukturen, ungeheuer dem Altersstarrsinn ähneln. O nein, meine Liebe, das wäre das Letzte woran man denken würde – geschweige es zu tun«, amüsierte er sich. Doch plötzlich fuhr er herum und fuchtelte unkontrolliert mit dem Arm durch die Luft. »So was aber auch, ich wollte doch zu Hause anrufen!«
Lena sah auf die Uhr. »Na und, so spät ist es doch noch gar nicht.«
»Für meine Mutter schon, die geht immer sehr früh schlafen.« Er sah zu Boden und überlegte, fasste dann plötzlich ihre Hand und sagte: »Komm, ich rufe gleich von der Hotelhalle aus an.«
Einigermaßen erstaunt befreite Lena ihre Hand aus der seinen. »Wieso soll ich da mitkommen?!«
Er stutzte einen Moment, lächelte verschmitzt und machte Anstalt etwas zu sagen; was er aber nicht tat.
Lena dagegen ging zu den anderen zurück, die sich auf der Terrasse niedergelassen hatten.
Ein älterer Mann, unmittelbar neben einer der mehrarmigen Ampel sitzend, die die Terrasse mit sanften Licht versorgten, rief ihr mit erhobenen Weinglas zu: »Zum Wohl, Lena!«
Alle lachten und hoben ihr in heiterer Stimmung die Gläser entgegen.
»Kommen Sie, Lena, hier ist noch ein Platz frei!«, hörte sie aus nächster Nähe rufen.
»Gern«, nickte sie und nahm Platz.
»Nanu, Lena ohne Knut, da kann doch etwas nicht stimmen!«, sagte da eine Stimme nahe der Balustrade.
»Eben, das kann doch nicht sein!«, erklang eine weitere Stimme.
»Überhaupt, was meint ihr dazu«, erklang es halb spöttisch und halb amüsiert, »diese sogenannte Überbuchung kann ja nur eine Finde gewesen sein, so wie die beiden zusammenglucken.«
»Natürlich, wie sonst hätte ich Lena dazu bewegen können neben mir Platz zu nehmen«, erwiderte Knut von der Treppe aus.
»Seht ihn euch nur an, wie er strahlt, unser Romeo!«
Dieses heitere Geplänkel, mit allerlei Witzen und Anekdoten untermalt, zog sich mehrere Stunden hin. Selbst beim allgemeinen Aufbruch dann, wollte die aufgeheizte Stimmung nicht weichen.
»Hast
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