Die Ueberlebende
kümmern, ist zu hören, dass diese Frauen für gewöhnlich unter Liebesversprechen von Schleppern angelockt, nach dem Eintreffen in ihrer neuen Heimat jedoch im wahrsten Sinne des Wortes als Sklavinnen dienen müssen.
Diese Organisationen weisen auch darauf hin, dass dieser Menschenhandel eine weitere Folgeerscheinung des immer eklatanter werdenden Ungleichgewichts im Zahlenverhältnis der Geschlechter darstellte: Es gibt im Punjab einfach nicht genug Frauen. Und dieses skandalöse Treiben geht auch noch mit vollem Wissen der Polizei und der örtlichen Behörden vor sich.
Dann entdeckte ich Ramnath: Er stand ein wenig abseits, unterhielt sich mit einer der Polizistinnen und behielt dabei die Neuankömmlinge im Auge. Er war also doch schon zurück aus Amritsar â zu meinem Leidwesen. Was war es, was mich an diesem Mann so sehr abstieÃ, abgesehen davon, dass seine Frau nach wie vor zu den Menschen gehörte, die ich am allerwenigsten mochte? Es kostete mich die allergröÃte Mühe, ihn einigermaÃen zivilisiert zu begrüÃen, also übertünchte ich meinen starren Gesichtsausdruck mit einer freundlichen Miene und trat auf ihn zu.
»Hallo! Haben Sie die Bengali-Bräute gesehen?« Da war er wieder, dieser mokante Unterton, den ich schon von ihm kannte und mit dem er mich zur WeiÃglut treiben konnte. Aber wenn ich jetzt ausrastete, würde mich das auch nicht weiterbringen. AuÃerdem dröhnte mir von meinem nächtlichen Saufgelage immer noch der Schädel.
»Wo haben Sie die denn aufgegabelt?«
»Wir haben sie im Mansa-Distrikt ausgehoben. Können Sie sich das vorstellen? Wir dachten immer, die Männer wären die Zuhälter, aber da haben wir uns getäuscht! Die Kiste wird in ganz groÃem Stil von einer bengalischen Lady betrieben, die selber vor zwanzig Jahren in Murshidabad gekauft und an einen Farmer weiterverscherbelt wurde. Und wissen Sie, was? Die Dame wusste, wie man zu was kommt, und hat sich selbst eine Farm zusammengespart. Dann hat sie die ganzen Frauen da gekauft, um sie wiederum zu Geld zu machen. Schöne Schwesternschaft, kann ich da nur sagen.«
Während er kichernd seine arroganten, widerlichen und hoffentlich unzutreffenden Kommentare abgab, betrachtete ich die jungen Frauen. Die meisten von ihnen wirkten übermüdet und ungepflegt. Ihre Kleider waren zerrissen und schmutzig. Eine von ihnen, die bestimmt nicht älter als sechzehn war, weinte in ihren Sari. Was hatte dieses Mädchen denn schon groà verbrochen â abgesehen davon, dass sie sich von Versprechungen hatte locken lassen? Kürzlich hatte es in Bangladesh wieder eine Flut gegeben. Viele der aus ihrer Heimat geflohenen Menschen hatten Zuflucht in Indien gefunden. Wer wusste denn schon, ob diesen Mädchen nicht vielleicht gar keine andere Wahl geblieben war, als hierherzukommen? In der Schattenwelt, in der sie hier lebten, gab es keine Identitätskarten oder Wählerausweise.
»Die da drüben, das ist die Anführerin.«
Mein Blick wanderte zu der Frau. Sie hatte dunkles Haar und dunkle Augen und stand, die Arme in die Hüften ge stemmt, da und kaute auf einer Betelnuss. Ihre offen getra gene Lockenpracht schmiegte sich an ihren Rücken â ganz im Stile von Aishwarya Rai, der Königin von Bollywood. Sie war besser angezogen als die übrigen Frauen, hatte einen Nasenring und trug einen grün-goldenen Netzsari. Die Umgebung, in der sie sich befand, schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken. Wie oft sie wohl schon im Gefängnis gewesen war?
»Was geschieht jetzt mit ihnen?«
»Ich wünschte, ich könnte sie einfach dorthin zurückschicken, wo sie herkommen. Aber hier haben wir es mit Menschenverschleppung zu tun, Maâam. Wir müssen die Sache zu den Akten nehmen und ihre Personalien festhalten. Obwohl die meisten von ihnen nicht einmal den Namen ihrer Eltern kennen. Und sie stehen allesamt unter Drogen, müssen sie wissen. Anders gehtâs gar nicht, denn sobald sie spitzkriegen, dass man sie vergewaltigen wird, würden die meisten von ihnen versuchen, davonzulaufen. Also müssen wir erst einmal abwarten, bis die Wirkung der Drogen nachlässt.«
Ich war mir immer noch nicht sicher, ob ich alles, was Ramnath sagte, für bare Münze nehmen sollte, aber das erklärte immerhin, wieso einige der jungen Frauen â insgesamt waren es acht â sich so still verhielten,
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