Die Übermacht - 9
wandte sich dann dem wettergegerbten, muskulösen Sergeanten zu, der dicht hinter ihm stand. »Sie haben den Pater gehört, Sergeant Zhadahng. Setzen Sie die Gefangenen in Bewegung!«
»Jawohl, Sir!«
Nun, damit steht wohl endgültig fest, was mir möglich ist – und was nicht , dachte Merlin Athrawes grimmig. Er lehnte sich in seinem Bett im Königlichen Palast von Manchyr zurück und schaute mit Hilfe der SNARCs dabei zu, wie die charisianischen Gefangenen zu den Karren getrieben wurden, auf denen sie weiterbefördert werden sollten.
Die Tempelgardisten waren mit schweren, altmodischen Luntenschlossmusketen bewaffnet. Es fehlten die neueren Modelle mit Steinschloss, die allmählich auch im Dienste des Tempels Verbreitung fanden. Die schweren Kolben ihrer Waffen brachten die Gardisten sehr großzügig zum Einsatz, um die Gefangenen anzutreiben. Merlin schaute zu, wie charisianische Matrosen taumelten, wann immer ein Musketenkolben sie zwischen den Schulterblättern oder am Brustkorb traf. Der eine oder andere Gefangene sackte in die Knie und wurde dann so lange getreten und geschlagen, bis es ihm irgendwie gelang, wieder auf die Beine zu kommen. Wann immer jemand zu Hilfe kommen wollte, ließen die Tempelgardisten diesem Kameraden die gleiche Behandlung angedeihen.
Als ein junger, einbeiniger Midshipman zu Boden stürzte, weiteten sich Merlins Augen vor Zorn. Niemand hatte den jungen Midshipman geschlagen; er war einfach ausgerutscht, als er versucht hatte, sich auf dem ihm noch verbliebenen Bein und einer behelfsmäßigen Krücke rasch genug zu bewegen, um seine Häscher zufrieden zu stellen. Es war egal. Die Gardisten schlugen und traten auf ihn ein, während der junge Bursche sich verzweifelt zusammenkrümmte und wenigstens den Kopf mit den Armen zu schützen versuchte. Merlins Kiefermuskeln spannten sich an, als sich Sir Gwylym Manthyr entschlossen durch den Kreis der sadistischen Gardisten drängte, um dem Jungen aufzuhelfen. Immer wieder trafen den Admiral Musketenkolben in den Rücken. Dennoch wehrte Manthyr sich nicht. Unter der Wucht der Schläge sank er auf Hände und Knie. Mit seinem eigenen Körper schützte er den gestürzten Midshipman.
Dann drängte sich ein zweiter Mann in den Kreis der Schläger. Er trug die Überreste einer Kapitänsuniform. Ein dritter Mann folgte ihm: auffallend schlank und mit einem eingewachsten Schnurrbart. Sofort erkannte Merlin Naiklos Vahlain. Die Gardisten schlugen und traten noch heftiger zu. Doch schon drängte sich auch der eine oder andere einfache Matrose in den Kreis hinein. Auch die Matrosen wurden getroffen; manche stürzten ebenfalls, nur um sich wieder auf die Beine zu kämpfen. Ihre Gesichter waren blutüberströmt, ihre Leiber geschunden. Trotzdem nahmen sie die Schläge und Tritte der Tempelgardisten mit schweigendem Trotz hin, bis Manthyr selbst wieder auf die Beine gekommen war, den halb bewusstlosen jungen Burschen auf den Armen. Ein Musketenkolben traf den Admiral genau in die Nieren. Manthyr stolperte vorwärts, das Gesicht schmerzverzerrt. Doch er ließ den Midshipman nicht fallen.
Einer der Gardisten schwang seine Muskete nun mit beiden Händen, offensichtlich erpicht, den Admiral tödlich am Kopf zu treffen. Der Admiral blickte ihn nur finster an, in seinem blutüberströmten Gesicht schienen seine Augen zu glühen wie Kohlen. Wortlos forderte er den Mann heraus zuzuschlagen. Die Muskete wurde geschwungen. Doch dann bellte ein Leutnant der Tempelgarde einen Befehl. Die Waffe stockte mitten in der Bewegung – mit so viel Schwung, dass der Gardist ins Stolpern geriet.
Es war, als erstarrten alle. Dann traten die Tempelgardisten widerwillig einen Schritt zurück und gestatteten so den Gestürzten, auf die Beine zu kommen. Auch danach wurden die Gefangenen immer noch geschlagen und getreten, immer noch wurden sie mit Obszönitäten überhäuft, immer wieder wurde ihnen versprochen, es werde noch viel schlimmer werden. Doch wenigstens wurde Manthyr nun gestattet, den jungen Burschen bis zu den bereitstehenden Karren zu tragen.
Auf jedem dieser Karren war genug Platz für fünfzehn oder zwanzig Männer. Dann konnten sich aber höchstens fünf oder sechs von ihnen notfalls hinlegen. Das war bei mehr als nur dem einen oder anderen Gefangenen auch bitter nötig. Und die Fahrt würde lange dauern. Die Karren bestanden aus schweren Holzbalken. Jede Unebenheit im Gelände bekämen die Männer darauf zu spüren: Eine Federung gab es nicht. Auch auf
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