Die Übermacht - 9
gesagt!‹, und lasst es dabei bewenden?«
»Weil Ihr heute Morgen beinahe umgebracht worden wäret!«, fauchte Merlin. Er stockte, blickte Sharleyan direkt in die Augen, und seine Saphir-Augen waren erschreckend finster. »Ich habe schon zu viele Freunde verloren, Sharley. Noch mehr werde ich nicht zulassen!«
»Natürlich nicht«, erwiderte sie sanft und legte ihm eine Hand auf den gepanzerten Unterarm. »Ich wollte auch wirklich nicht schnippisch klingen. Trotzdem habe ich doch Recht, oder? Abgesehen davon«, sie lächelte schelmisch, »wissen wir jetzt wenigstens, dass Owls Schneiderarbeit funktioniert!«
»Mehr oder weniger«, gestand Merlin ein und verzog das Gesicht, als er mit der Fingerspitze vorsichtig über die große Prellung auf Sharleyans Brustkorb strich. »Andererseits wird die kinetische Energie längst nicht so gut verteilt wie erhofft. Mindestens zwei Eurer Rippen sind gebrochen, Sharley. Wahrscheinlich sogar drei. Ich würde Euch heute in der Nacht gern unbemerkt in die Höhle bringen, damit Owl Euch mit dem Autodoc untersucht.«
»Ach, ich glaube nicht, dass das notwen ... Au! «
Merlin hatte nur ein wenig fester gedrückt, und schon war Sharleyan zusammengezuckt. Entschuldigend schüttelte er den Kopf, und die Kaiserin atmete tief durch.
»Ich glaube nicht, dass das notwendig ist«, blieb sie hartnäckig. »Selbst wenn die Rippen wirklich gebrochen sind, meine ich. Ist das nicht einer der Gründe, warum Ihr mich mit dieser medizinischen Nanotech geimpft habt?«
»Das wird den Heilprozess beschleunigen. Aber auch dann heilt es nicht über Nacht«, gab Merlin zurück. »Und gegen die Schmerzen hilft es auch nicht. Wenn Ihr meint, das sei jetzt schon schlimm, dann wartet einfach bis morgen früh ab und versucht dann, Euch zu bewegen!«
»Ich weiß«, gab sie düster zurück. »Ist ja nicht das erste Mal, dass ich mir ein paar Rippen gebrochen habe.«
»Ihr und Euer verdammtes Pony!«, murmelte Seahamper über das Com. Sharleyan kicherte und keuchte dann vor Schmerzen auf.
»Genau«, sagte sie und blickte zu Merlin auf. »Ich habe überhaupt keine Schwierigkeiten, morgen früh sichtlich unpässlich zu sein – solange ich nur mit dem Regentschaftsrat frühstücken kann, ohne dabei auszusehen, als hätte man mich mit einem großen Knüppel durchgeprügelt. Ich könnte mir denken, dass man ohnehin eine Am-nächsten-Tag-Reaktion von mir erwartet. Wenn wir also meine Rippen ordentlich eng einwickeln, bekomme ich das schon hin. Ich verspreche auch, dass ich danach gleich wieder hierher zurückkomme und mich den Rest des Tages ausruhe. Dann können sich auch all diese geschäftigen kleinen Naniten um mich kümmern.«
»Was halten Sie davon, Edwyrd?«, fragte Merlin.
»Solange Ihr Ihrer Majestät nicht ordentlich auf den Schädel kloppt, ist das vermutlich die vernünftigste Reaktion, die wir ihr entlocken können«, meinte Seahamper säuerlich. »Abgesehen davon«, fuhr er widerwillig fort, »ist es vielleicht wirklich keine so gute Idee über Nacht wegzubleiben. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass jemand mitten in der Nacht nach ihr fragen wird. Aber falls doch etwas sein sollte, was keinerlei Aufschub duldet, komme ich in Schwierigkeiten. Denn ›Es tut mir leid, Ihre Majestät die Kaiserin ist derzeit nicht zu sprechen‹ wird nach so etwas wie heute Morgen wohl nicht ausreichen.«
»Stimmt«, seufzte Merlin. Dann blickte er noch einmal auf Sharleyan herab und schüttelte den Kopf. »Zu schade, dass die derzeitige Mode von Safehold keine Korsetts vorsieht! Die Dinger sind zwar wahrscheinlich die teuflischste Erfindung seit der Inquisition, aber wären jetzt recht praktisch! Ohne ein solches Hilfsmittel sollten wir Euch ganz aus Eurer Kleidung holen und dann mal schauen, wie wir die Rippen ein wenig stabilisieren können!«
Sechs Stunden waren seitdem vergangen, und Seahampers Vermutung, wie Cayleb reagieren würde, war eingetroffen. Der Kaiser hatte sich von Owl tatsächlich einen separaten Kanal zuweisen lassen, um allein mit Sharleyan sprechen zu können. Ihr Anteil am Gespräch fiel bemerkenswert einsilbig aus. Vor allem gab es ›Ja‹ oder ›Nein‹ zu hören, hin und wieder auch ein ›Natürlich nicht‹ und sogar einmal ein ›Wie du meinst‹. Es klang ganz und gar nicht nach Sharleyan Ahrmahk. Das verriet, wie sehr die Ereignisse sie erschüttert hatten – so gefasst sie auch auftrat.
Nun half Merlin ihr gerade bei den letzten Schritten aus dem Badezimmer zum Bett hinüber.
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