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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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Läßt sie sich für Wochen und Monate konservieren oder verliert sie ihre Kraft, und wenn Fokko erst in einem Jahr zurückkäme, um die Uhr endlich wieder zu schließen, stünde dann noch immer das fiebrige Licht in Schwamms Blick, oder wäre sein Interesse längst abgedriftet, würde er sich mit der Hand über die Augen streichen, in denen nichts zu finden wäre als Müdigkeit, und er würde sich an sein Zahlenbuch setzen, um seine Ratlosigkeit zu notieren.
    Fokko hat die Kamera eingeschaltet. Ein rotes Lämpchen leuchtet auf. Im Display ist die Uhr zu erkennen. Er sucht den richtigen Ausschnitt, betätigt den Auslöser und schließt die Uhr wieder.
    »Was ist?«
    Schwamms Neugierde ist größer denn je. Und er hat augenscheinlich schon gelernt, mit dem Zeitstillstand umzugehen, hat die Kamera hingehalten und die Prozedur abgewartet wie ein Kind, das zum ungezählten Male eine Spritze empfängt.
    »Es hat funktioniert.«
    Fokko hält ihm die Kamera hin. Im Display ist die geöffnete Uhr zu erkennen.
    »Die materielle Welt ist dir untertan«, sagt Schwammheimer andächtig und verkabelt den Fotoapparat mit seinem Computer. Das Radio und die Kamera sind beides Geräte, denkt Fokko, die mit Strom funktionieren. Heute hat es geklappt, gestern nicht. Es gibt nur eine halbwegs vernünftige Erklärung dafür: wahrscheinlich hängt es von meinem Willen ab, ob ein Apparat unter dem Einfluß der Uhr funktioniert oder nicht, und vielleicht besitze ich unter dem Zeitstillstand noch ganz andere Möglichkeiten, kann mich hinwünschen wohin ich will, kann Gegenstände fliegen lassen, Gedanken lesen, die Geschichte umschreiben oder mir grandiose Eigenschaften anwünschen. Vielleicht kann ich Eva unter einen Einfluß nehmen, der wirksam bleibt, wenn die Zauberuhr geschlossen ist.
    »Die Uhr der Skythen.« Schwammheimer zeigt voller Ehrfurcht auf den Bildschirm. »Das ist sie. Welch erhabene Schönheit sie besitzt!«
    Fokko lacht leise. Schwammheimer registriert es nicht, vergrößert die Fotografie auf dem Monitor, verändert den Kontrast und druckt das Bild der Uhr aus. Es beflügelt ihn ganz offensichtlich. Die Schriftzeichen kommen ihm bekannt vor, das Symbol der Sonne will er in dieser Form schon einmal gesehen haben und es sei nur eine Frage der Zeit, Hinweise auf die Zeichen, auf die Uhr und ihre Mechanik zu finden, beispielsweise im Internet.
    »Sie ist alt«, sagt er dann, »wohl ein paar hundert Jahre, schätze ich.«
    »Und wie funktioniert sie?« fragt Fokko.
    Schwammheimer lächelt, runzelt die Stirn und zieht die Schultern hoch.
    »Das weiß wohl keiner«, sagt er. »Es ist ein großes magisches Rätsel, aber du weißt, mein Freund, es gibt nicht nur die Dinge, die wir verstehen.«
    »Was sie antreibt, meine ich…«
    »Sie wird ein Uhrwerk haben, eine Spiralfeder, die sich mehr oder weniger gleichmäßig entspannt und damit den inneren Ring dreht.«
    »Und warum tut sie das nicht in einer Sekunde?«
    »Weil sie irgendeine Form der Hemmung besitzt.«
    »Dann müßte sie ticken.«
    »Stimmt.«
    »Und wie und wo zieht man sie auf?«
    »Gute Frage.« Schwammheimer beugt sich über das Bild. »Man müßte sie demontieren, um hinter ihr mechanisches Rätsel zu kommen. Dafür müßte sie jemand anderes als du überhaupt öffnen können. Aber ihr tieferes Geheimnis wird man nicht erfahren, wenn man sie zerlegt. Vermutlich zerstört man es nur.«
    »Aber sie ist doch von Menschen gemacht und nicht im Inneren eines Meteoriten auf die Erde gestürzt oder von Außeriridischen vergessen worden.«
    »Wer weiß?« Schwammheimer notiert das Datum und die Stunde der realen Zeit auf dem Computerausdruck. »Wir werden das Geheimnis der skythischen Uhr möglicherweise nie entschlüsseln, aber wir können lernen, wie man mit ihr umgeht. Vor viertausend Jahren hatten die Menschen keinen blassen Schimmer vom Planetensystem, doch sie haben den Lauf der Sonne und die Bewegungen der Himmelskörper beobachtet und beschrieben, sie haben Regelmäßigkeiten erkannt und in ihr Weltbild und Gottesverständnis eingebaut. Sie kannten die Stunde der Sommersonnenwende, haben ihr bescheidenes Wissen genutzt, tradiert und entwickelt, auch ohne eine Erklärung für die Kapriolen des Sonnengottes zu besitzen.«
    »Wir sollten Sparenbergs Nachlaß holen, ehe er…«
    »Machen wir«, murmelt Schwammheimer, legt den Zettel mit Fokkos Zeichnung neben das Foto und vergleicht die Stellung der Schriftzeichen zueinander. »Diese zwei Symbole standen also direkt

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