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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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mit japanischen Männern.
    Annas Vater war Taxifahrer, und ihre Mutter hatte einen Obstund-Gemüse-Stand auf dem Markt. Stolz berichteten sie sich jeden Abend von ihren Geschäftserfolgen. Man versuchte, die Konkurrenten mit Verstand, Witz und Geistesgegenwart auszustechen, das war das Wesen der Geschäftsleute in Shanghai. Was würde sie den Eltern nur jemals von ihren eigenen verdorbenen »Geschäftserfolgen« berichten können?
    Sie war stolz darauf, in Shanghai, der größten Stadt Chinas, geboren zu sein, und sie hatte insgeheim auch Vertrauen in ihre eigene Schönheit, aber mit den jungen, von dieser Überflussgesellschaft verwöhnten Tōkyōterinnen, die vor Selbstbewusstsein nur so strotzten, konnte sie es nicht aufnehmen. Ihre angespannte Nervosität, der Verlust ihres Selbstvertrauens und nicht zuletzt ihre Einsamkeit hatten Anna in eine schüchterne, zaghafte Landpomeranze verwandelt.

    Sie besuchte die Sprachschule, die ihr der Mittelsmann, der auch ihr Bürge für die Einreise geworden war, empfohlen hatte, und jobbte abends in einem Nachtclub in Shibuya.
    Fleißig und mit Hingabe lernte sie Japanisch. Ob es an ihren guten Ohren lag oder an ihrem sicheren Instinkt – sie war jedenfalls sehr schnell in der Lage, die Sprache gebrochen zu sprechen. Nach kurzer Zeit verstand sie bereits, worüber die Leute sich in der Bahn unterhielten, wenn sie sich nur konzentrierte. Nun konnte sie sich im Kaufhaus auch endlich modische Kleider kaufen, wie sie die jungen Japanerinnen trugen. Nur die schreckliche Einsamkeit, die sie ganz am Anfang im Zug verspürt hatte, wich nicht von ihrer Seite. Wie eine freche Straßenkatze kam sie immer wieder zu ihr zurück, so sehr sie sie auch wegzuscheuchen versuchte.
    Aber vor allen Dingen wollte sie ja Geld verdienen, möglichst viel Geld, damit sie so schnell es ging nach Shanghai zurückkehren konnte. Und wenn sie erst wieder zu Hause wäre, würde sie eine schicke Boutique eröffnen, und dann würde sie reich werden... Also ging Anna jeden Tag zur Sprachschule und abends in den Club. Doch als würden ihre Mühen mit Hohngelächter belohnt, schaffte sie es einfach nicht, mehr Geld zu sparen. Die furchtbar hohen Preise in Japan taten ihr Übriges, das Leben hier verursachte ungeahnte Kosten. Anna wurde nervös. Sie hatte nicht einmal ein Viertel der angestrebten Summe beisammen, und so konnte sie unmöglich nach Hause zurück. Aber hier bleiben wollte sie auch nicht. Das Gefühl, eingesperrt zu sein und keinen Ausweg zu sehen, machte ihren Alltag unsicher wie ein Teeschälchen mit feinen Rissen: Sie lebte in der ständigen Angst, jederzeit zerbrechen zu können.
    Da lernte sie Satake kennen.
     
    Satake trank zwar keinen Alkohol, fiel aber in die Kategorie »gute Kundschaft«, da er ausgesprochen spendabel war. Anna hatte ihn vorher schon öfter gesehen und bemerkt, dass er von den Angestellten im Club bevorzugt behandelt wurde. Sie hielt ihn jedoch für unerreichbar, da ihn immer nur die Hostessen mit dem höchsten Umsatz bedienten. Doch diesmal ließ Satake sie an seinen Tisch rufen.
    »Ich bin Anna. Es freut mich, Sie kennen zu lernen.«

    Satake verhielt sich anders als die meisten Gäste, denn er war weder schüchtern, noch spielte er sich auf. Er schloss die Lider, als würde er sich an Annas Stimme erfreuen, und schaute ihr dann auf den Mund, wie ein Sprachlehrer, der ihre japanische Aussprache überprüfen wollte. Fast wäre Anna aufgestanden, denn sie kam sich vor wie eine Schülerin, die plötzlich vom Lehrer aufgerufen worden war.
    »Ist Ihnen ein Whiskey-Soda recht?« Während sie Scotch mit möglichst viel Eiswasser mischte, sah sie immer wieder kurz zu Satake auf. Er mochte Ende dreißig sein. Sein Teint war dunkel, das Haar kurz geschnitten. Die äußeren Winkel seiner kleinen Augen wiesen leicht nach oben, und er hatte sehr volle Lippen. Nicht eben ein schöner Mann, doch sein Gesicht strahlte eine gewisse Sanftheit aus, was ihn durchaus reizvoll machte. Aber seine Kleidung war viel zu grell. Er trug einen eleganten schwarzen Markenanzug, der nicht zu seinem stämmigen Körperbau passte, dazu eine auffällige Krawatte. Eine goldene Rolex und ein goldenes Feuerzeug von Cartier. Seine Aufmachung verlieh ihm einen unbekümmerten, leichtfertigen Eindruck, der aber im völligen Widerspruch zu seinen Augen stand, die bedrückt und niedergeschlagen wirkten.
    Die Augen waren wie sumpfige Seen. Sie erinnerten Anna sofort an Bilder von einer entlegenen Berglandschaft,

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