Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
das bislang nur ein Raum zur Zerstückelung irgendwelcher toter Körper gewesen war, verwandelte sich, allein dadurch, dass jetzt die Leiche einer guten Bekannten darin lag, in eine Aufbahrungsstätte. Sofort waren alle still. Dann brach Yoshië in Schluchzen aus. Jūmonji blieb, wie gelähmt vor Angst, stehen.
»Was war das für ein Kerl? Los, sagen Sie mir, was das für ein Mann war!«, fuhr Masako ihn an.
»Sein Gesicht konnte ich doch gar nicht genau sehen!« Jūmonjis Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Er war ziemlich groß und kräftig, und er hatte eine tiefe Stimme.«
»Das trifft doch auf jeden dritten Mann zu!« Masako war außer sich.
»Aber ich weiß doch nicht mehr, auch wenn Sie noch so schreien!« Völlig verzweifelt wandte Jūmonji sein Gesicht zur Seite.
Yoshië saß im Vorraum auf dem Boden und weinte. Man hörte ihr klagendes Murmeln: »Das musste ja kommen, das ist die Strafe des Himmels, ich hab’s ja gleich gesagt, so etwas darf man auch nicht tun...«
»Hör endlich auf!« Masako stürmte in den Vorraum und packte sie bei den Schultern. »Hör auf, so zu reden, dafür haben wir keine Zeit! Irgendjemand hat es auf uns abgesehen!«
Yoshië starrte sie abwesend an, so als hätte sie nicht die leiseste Ahnung, wovon Masako sprechen könnte. »Was meinst du denn damit?«
»Dass jemand uns Kuniko geschickt hat, das ist doch wohl klar!«
»Aber kann das denn nicht Zufall gewesen sein?«, wimmerte Yoshië.
»Sag mal, spinnst du, oder was!«, schrie Masako impulsiv. Vor lauter Aufregung klang ihre Stimme schrill, sie konnte sich nicht zusammenreißen. Sie kaute an den Fingernägeln, um die Fassung zurückzugewinnen.
Da sagte Jūmonji: »Ach ja, der Übergabeort für die Leiche war
der Hintereingang vom Koganei-Park. Deshalb hatte ich gleich so ein komisches Gefühl.«
»Ist das wahr?« Augenblicklich standen Masako am ganzen Körper die Haare zu Berge. Er wusste es. Dieser Kerl wusste alles. Deshalb hatte er Kuniko umgebracht. Um ihnen Angst einzujagen. Aber warum? Masako schrie Kuniko an, die mit erschlafftem Gesicht vor ihr lag: »Du bescheuerte, blöde Kuh! Verrat uns sofort, was passiert ist!«
Jūmonji griff nach Masakos Arm. »Beruhigen Sie sich doch, Frau Katori!«
Yoshië starrte sie mit offenem Mund an. »Aber was hast du denn nur?«
»Ach, es ist zum Verrücktwerden!«, zischte Masako.
»Wieso?«
»Wollt ihr das wirklich wissen? Gut, ich werde es euch klipp und klar sagen.« Masako wandte sich den beiden zu. »Jemand hat es auf uns abgesehen. Dieser Jemand ist bei Yama-chan zu Hause eingedrungen und hat sie ausspioniert. Bei mir hat er auch herumgeschnüffelt. Dann hat er den Plan ausgeheckt, sich an Kuniko ranzumachen, sie zu ermorden, um sie dann von uns entsorgen zu lassen.«
»Wieso sollte jemand das tun? Wenn er Kuniko umgebracht hat, braucht er doch so was nicht zu tun! Das muss doch einfach Zufall gewesen sein!« Yoshië war wieder den Tränen nahe.
»Nein, er will uns doch gerade mitteilen, dass er alles weiß!«
»Aber warum denn nur?«
»Aus Rache.« Sobald sie dieses Wort ausgesprochen hatte, war ihr plötzlich, als habe sich das Rätsel gelöst. Genau, das war es! Der Kerl wollte sich rächen! Er hatte alles so sorgfältig und mit großem Zeitaufwand ausspioniert, um sich an ihnen rächen zu können! Am Anfang hatte sie gedacht, er habe es auf das Geld von der Versicherung abgesehen, aber das stimmte nicht. Hätte er sonst ohne mit der Wimper zu zucken eine Riesensumme für Kunikos Entsorgung investiert? Masako bekam Angst. Verzweifelt kämpfte sie gegen die Tränen.
Jūmonji runzelte die Stirn. »Aber wer sollte das sein?«
»Der Betreiber dieses Spielkasinos vielleicht. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.«
Jūmonji und Yoshië sahen sich an. »Und wie heißt er?«
»Mitsuyoshi Satake, Alter: dreiundvierzig.« Masako hatte den Namen und so weiter in alten Zeitungen recherchiert. »Er wurde aus Mangel an Beweisen freigelassen und ist seither verschwunden.«
»War denn dieser Mann so ungefähr dreiundvierzig?«, fragte Yoshië Jūmonji.
»Das kann ich nicht sagen. Es war dunkel, und er hatte eine Kappe auf dem Kopf. Aber vom Klang seiner Stimme her käme das Alter einigermaßen hin. Tja, das heißt dann also, dass ich der Einzige bin, der ihn je gesehen hat, nicht wahr?« Jūmonji verzog das Gesicht, als dächte er an etwas Schlimmes zurück. »Und ein weiteres Mal möchte ich ihm auf keinen Fall begegnen!«
Als sie Jūmonjis
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