Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
Vom Netzwerk:
stehen. Im kreisrunden gelben Licht der zu Boden gerichteten Taschenlampe sah sie seine robusten schwarzen Schuhe.
    »Ja.« Masako verlangsamte ebenfalls den Schritt. Sie versuchte, dem Wachmann ins Gesicht zu sehen, aber er hatte die Kappe so tief heruntergezogen, dass man kaum etwas davon erkennen konnte.
    »Ist die Frau mit dem Golf eine Freundin von Ihnen?«
    »Ja, schon...«
    »Warum hat sie denn aufgehört?«
    Seine Stimme klang tief und angenehm. Ohne zu antworten, ging Masako weiter, seitlich an ihm vorbei. Sie wollte nicht über Kuniko reden. Als sie auf gleicher Höhe mit ihm war, spürte sie, dass er sie ansah. Auf einmal war ihr, als befände sie sich in einem Magnetfeld aus starken Gefühlen, in dem die Atmosphäre zu stocken schien. Ihr Herz begann zu rasen, sie bekam keine Luft mehr. Warum, wusste sie nicht.
    »Danke, das reicht, ich gehe allein weiter. Es ist in Ordnung, wirklich«, presste sie hastig mit der Luft, die sich noch in ihren Lungen befand, heraus und rannte los. Der Wachmann blieb wortlos stehen.
    Satō und Satake – ähnelte sich das nicht? Hatte nicht in der Hand, die sich auf ihre Schulter gelegt hatte, eine Spur zu viel Kraft geschlummert? Wieso fragte er sie nach Kuniko? Masako war verwirrt. Sie konnte nicht einschätzen, wie dicht die Dunkelheit war, in der sie steckte. Sie besaß keinerlei Anhaltspunkt,
worauf sie vertrauen durfte und was sie besser in Zweifel ziehen sollte. Da es ihr einfach nicht gelingen wollte, das vage Unbehagen, das sie befallen hatte, an konkreten Dingen festzumachen, warf sie es schließlich über Bord und rannte weiter.
     
    Sie rannte in einem durch zur Fabrik. Dort angekommen, lief sie sofort in den Umkleideraum und suchte Yoshië. Sie war nicht da. Seit sie Kunikos Leiche zerstückelt hatten, war sie kein einziges Mal mehr in der Fabrik gewesen. Ob sie den Lohn für die Entsorgung Kunikos dazu verwendet hatte fortzuziehen? Oder war ihr etwas passiert?
    Masako setzte sich allein an eine Ecke des langen Resopaltischs im Aufenthaltsraum und grübelte, während sie sich unsanft die aus dem Haarnetz hängenden Strähnen unters Kochmützchen stopfte, darüber nach, was sie nur tun sollte.
    Sie zündete sich eine Zigarette an. Es war keineswegs auszuschließen, dass Satake sich in die Fabrik eingeschleust hatte, schoss es ihr durch den Kopf. Unauffällig ging sie die Männergruppen im Aufenthaltsraum durch. Aber sie konnte kein neues Gesicht darunter entdecken. Sie spürte, dass sie ungewöhnlich nervös war und sich einfach nicht zu beruhigen vermochte.
    Sie nahm ihr Adressbuch und die Telefonkarte zur Hand und wählte am öffentlichen Fernsprecher im Aufenthaltsraum Jūmonjis Handy-Nummer.
    »Ach, Sie sind es nur, Frau Katori!«, rief Jūmonji erleichtert.
    »Wieso, was ist los?«
    »Na ja, ich kriege immer so merkwürdige Anrufe. Hatte mir schon überlegt, gar nicht mehr ranzugehen.«
    Masako spürte, wie eingeschüchtert Jūmonji war. »Was für Anrufe?«
    »Es ist der Kerl, glaube ich. Wenn ich abnehme, sagt eine Männerstimme immer nur den einen Satz: ›Du bist der Nächste‹. Ich weiß zwar, dass er mir bloß drohen will, aber ich habe ihn schließlich leibhaftig gesehen! Ich bin völlig fertig, das können Sie mir glauben!«
    »Woher hat er Ihre Nummer?«
    »Ach, das ist einfach, ich verteile doch überall meine Visitenkarten.«

    »Konnten Sie im Hintergrund noch etwas anderes hören?«
    »Nein, nichts. Wo ich gehe und stehe, ruft er an. Klar, beim Handy ist das unvermeidlich, ich weiß, aber ich hab das Gefühl, rund um die Uhr beobachtet zu werden. Also, ich hau ab, Frau Katori, machen Sie’s gut.«
    »Moment, warten Sie! Ich hab noch eine Bitte«, hielt Masako ihn hastig zurück.
    »Ja?«
    »Kunikos Golf steht auf dem Fabrikparkplatz.«
    »Was sagen Sie da?« Sie hörte die Panik in seiner Stimme. »Wieso?«
    »Tja, Kuniko wird es kaum gewesen sein, also bleibt nur Satake«, sagte Masako mit gedämpfter Stimme.
    »Frau Katori, mit dem ist nicht zu spaßen, das hört sich ziemlich gefährlich an. Am besten, wir machen uns so schnell wie möglich aus dem Staub!«
    »Das weiß ich ja! Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zum Parkplatz fahren und den Golf beobachten könnten, um herauszufinden, wer ihn fährt.«
    »Aber das ist doch klar! Dieser Kerl natürlich, wer denn sonst?«
    »Ja, aber könnten Sie nicht in Erfahrung bringen, wo er hinfährt?«
    »Sind Sie wahnsinnig? Das können Sie nicht von mir verlangen!«
    Der Feigling Jūmonji

Weitere Kostenlose Bücher