Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Feuerwerk, da werde ich dich erlösen, vertröstete er sie, und das schenkte ihm eine Freude, ja, ein Gefühl der Glückseligkeit, das er nie zuvor in seinem Leben empfunden hatte.
»Bist du wirklich so mutig, oder tust du nur so?«
Masako kümmerte sich nicht um ihn, sondern ging einfach weiter. Sie hatte tatsächlich den Nerv davonzustolzieren! Obwohl sie ihn abgewiesen hatte, folgte Satake ihr in einigen Metern Abstand. Vor Angst musste ihr Herz rasen, als stünde es kurz vorm Platzen. Ihre Schultern waren steif vor Anspannung, das sah er. Doch sie schritt weiter durch die Dunkelheit, ohne sich auch nur das Geringste anmerken zu lassen. Satake schaltete die Taschenlampe ein und leuchtete ihr den Weg.
»Hab ich dir nicht gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen!« Masako fuhr mit unerschrockener, finsterer Miene herum. »Hier will ich nämlich nicht unbedingt von dir ermordet werden!«
Ihr Temperament entzückte ihn. Ein stürmisches, leidenschaftliches Gefühl wallte in ihm auf, das die bezaubernde Anna niemals in ihm hätte wecken können. Der wilde Hass auf Masako und das süße Verlangen nach ihr kündeten von einer Gefahr, die mit dem eigenen Untergang verbunden war. Sollte er sie jetzt gleich von hinten in den Würgegriff nehmen, bis sie bewusstlos war, und sie dann in der stillgelegten Fabrik erledigen? Für einen
Augenblick schoss ihm dieser Gedanke durch den Kopf, aber dann besann er sich: Nein, das wäre viel zu fade.
Als könnte sie seine Gedanken lesen, sagte Masako: »Aber hier würde es dir ohnehin selbst nicht gefallen, was? Du willst mich doch sicher quälen, bevor du mich umbringst, stimmt’s? Wieso hast du...« Masako wollte noch weiterreden, aber da hörten sie hinter sich das Quietschen eines Fahrrads. Satake und Masako drehten sich gleichzeitig um.
»Guten Morgen!«
Es war Yoshië. Die Anwesenheit des Wachmanns schien sie erschreckt zu haben, denn sie ließ ihn nicht aus den Augen, während sie abstieg und sich mit dem Fahrrad neben Masako stellte.
»Was machst du denn hier, Meisterin?«
»Ich wollte dich treffen, deshalb bin ich heute extra hier herum gekommen. Gut, dass ich dich noch einhole!«
Satake leuchtete Yoshië mit der Taschenlampe ins Gesicht. Geblendet verzog sie es zu einer hässlichen Fratze. Außerhalb des Lichtkreises konnte er flüchtig erkennen, dass Masako grinste.
5
Das war knapp gewesen! Masako atmete kaum merklich auf, als sie Yoshiës Gesicht erblickte.
Auf dem dunklen Weg war ihr vor Angst beinahe die Luft weggeblieben, da sie jeden Moment damit rechnen musste, von hinten in den Würgegriff genommen zu werden. Ihr war außerdem klar gewesen, dass Satake sie sofort angreifen würde, wenn sie sich die Angst anmerken ließe. Die Situation war den Erfahrungen mit wilden Hunden nicht unähnlich, die sie als Kind gemacht hatte: Sobald man ihnen in die Augen sah, nahmen sie die Verfolgung auf. Masako bemühte sich, wieder ruhig durchzuatmen.
Wenn der Hass im Innern dieses Mannes einmal den Siedepunkt erreicht hatte, konnte es leicht zur Explosion kommen. Auf dem Weg dorthin kostete Satake jede einzelne Station weidlich aus. Innerhalb von Sekundenbruchteilen hatte Masako ihm an den Augen abgelesen, dass er die Situation genoss und Katz und Maus mit ihr spielte. Satake war kaputt. Und allein durch ihre Existenz reizte Masako alles Kaputte in ihm und verführte ihn dazu, in die Luft zu gehen, so viel stand fest. Aber auch in ihr gab
es etwas, das sich von Satake provozieren ließ: den Teil, der es ihm insgeheim gestatten würde, sie umzubringen.
Nie und nimmer hätte sie sich träumen lassen, dass sie einmal ein solches Schicksal erwartete – bis sie Kenjis Leiche zerstückelt hatte. Masako schaute zur stillgelegten Fabrik hinüber, die sich düster vor ihr erhob. Das leere Gebäude kam ihr wie ein Symbol der eigenen Finsternis vor, ihrer eigenen Kaputtheit. Musste sie dreiundvierzig Jahre lang leben, um letztendlich festzustellen, wie verkorkst sie selbst war? Masako konnte ihre Augen nicht von der stillgelegten Fabrik lösen.
»Wer war denn der Mann da?«, fragte Yoshië und drehte sich mit ängstlich-misstrauischer Miene zum Parkplatz um, während sie ihr Fahrrad weiter mühsam neben sich herschob, immer geschickt darauf bedacht, die Schlaglöcher im Boden zu umfahren.
»Der Wächter«, antwortete Masako nur. Satake stand neben dem Wachhäuschen, das sein Licht einsam wie ein Leuchtturm durch die Dunkelheit sandte, und starrte Masako nach. Er würde dort auf
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