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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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gehen. Er hatte die schwarze Jacke über sein T-Shirt gezogen und seine Kappe aufgesetzt.
    »Ich gehe dann.«

    »Herr Miyamori, könnte ich bitte bis drei Uhr hier bei Ihnen bleiben?«
    Kazuo nickte und wiederholte mehrmals, dass er nichts dagegen hätte. Noch drei Stunden. Dann würde Satake nach Hause gehen. Masako stützte die Ellbogen auf den Tisch und schloss die Augen. Sie hatte das Gefühl, eine kleine Verschnaufpause errungen zu haben.
     
    Von den Geräuschen, mit denen Kazuo zur Tür hereinkam, wachte sie auf. Er schien draußen noch etwas Zeit totgeschlagen zu haben, denn es war bereits zwei Uhr morgens. Kazuo, dessen ganzer Körper den Geruch der kalten Außenluft verströmte, griff in die Innentasche seiner Jacke und zog den Umschlag heraus.
    »Bitte.«
    »Danke.« Masako nahm den Umschlag entgegen, der warm war von Kazuos Körpertemperatur. Sie schaute hinein. Ihr neuer Reisepass und sieben banderolierte Bündel Zehntausend-Yen-Scheine. Damit würde sie sich aufmachen, dem Ausweg entgegen. Sie zog ein Bündel Banknoten heraus und legte es auf den Tisch. »Hier, nehmen Sie das. Als Entschädigung dafür, dass Sie die Sachen für mich aufbewahrt haben.«
    »Das ist nicht nötig, ich brauche nichts. Ich bin glücklich, dass ich Ihnen nützlich sein konnte.«
    »Aber Sie müssen doch noch über ein Jahr hier bleiben und schuften!«
    Kazuo zog die Jacke aus und biss sich auf die Lippen. »Ich kehre noch vor Weihnachten nach Hause zurück.«
    »So?«
    »Ja. Es hat keinen Zweck mehr, hier zu bleiben.« Kazuo, der im Schneidersitz dasaß, ließ seinen Blick einmal durch das enge Zimmer gleiten und schaute dann auf die Nationalflagge am Fenster. In seinen Augen entdeckte Masako Sehnsucht und Frieden, und sie beneidete ihn darum. »Ich wollte Ihnen helfen. Ihre Schwierigkeiten, haben die etwas hiermit zu tun?« Kazuo zog den Schlüssel, der an der Kette um seinen Hals hing, unter dem T-Shirt hervor.
    »Ja«, nickte Masako.
    »Muss ich ihn Ihnen nicht zurückgeben?«

    »Nein.«
    Erleichtert lächelte Kazuo. Kenjis Hausschlüssel. Er erinnerte sie daran, wie alles angefangen hatte, und sie starrte eine ganze Weile auf den Schlüssel in Kazuos Hand. Doch der Ursprung von dem, was geschehen war, lag ganz allein in ihr selbst. Einzig ihre Verzweiflung und ihr Verlangen nach Freiheit hatten sie hierher gebracht.
    Masako tat den Umschlag in ihre Umhängetasche und stand auf. Kazuo versuchte, ihr das Bündel Geldscheine zurückzugeben, das auf dem Tisch lag.
    »Nein, behalten Sie es, als Zeichen meiner Dankbarkeit.«
    »Aber es ist zu viel.« Kazuo wollte ihr das Bündel in die Handtasche stecken.
    »Verbrauchen Sie es. Dazu ist Geld von dieser Sorte da.«
    Als Kazuo diese Worte hörte, hielt er in der Bewegung inne und verzog das Gesicht. Wahrscheinlich widersprach es seinem übertriebenen Gerechtigkeitssinn, schmutziges Geld anzunehmen.
    »Geben Sie es mir nicht zurück. Sie haben schließlich die ganze Zeit hart geschuftet in der Fabrik, geben Sie es aus! Den Unterschied zwischen sauberem und schmutzigem Geld gibt es sowieso nicht!«
    Daraufhin seufzte Kazuo schwer und legte das Geld resigniert auf den Tisch zurück. Vor den Kopf stoßen wollte er Masako wohl auch nicht.
    »Tja, dann gehe ich jetzt. Danke noch mal für alles!«
    Da nahm Kazuo sie behutsam in die Arme. Es war das erste Mal, dass sie von dem Körper eines Mannes umfangen wurde, seit Kazuo sie damals vor der stillgelegten Fabrik an sich gedrückt hatte. Ein Gefühl, das sie all die Jahre nicht erlebt hatte. Es fühlte sich sehnsüchtig vertraut und zärtlich an, und ihr war, als würde sich ein hartnäckiger Knoten in ihrem Herzen ganz langsam auflösen. Masako schmiegte sich eine Weile an Kazuos Brust. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen, aber diesmal ließ sie ihnen keinen Lauf.
    »Ich muss gehen.« Als sie sich von ihm löste, zog Kazuo einen kleinen Zettel aus der Tasche und drückte ihn ihr in die Hand.
    »Was ist das?«
    »Meine Adresse in São Paulo.«

    »Danke.« Masako faltete den Zettel ordentlich zusammen und steckte ihn sich in die Jeanstasche.
    »Kommen Sie dorthin, auf jeden Fall, bitte! Kommen Sie zu Weihnachten! Ich warte auf Sie. Versprechen Sie es mir!«
    »Ich verspreche es«, sagte Masako und band sich in dem winzigen Eingang die ausgetretenen Turnschuhe zu. Durch den Türspalt blies kalter Wind herein. Kazuo biss sich auf die Lippen und ließ den Kopf hängen. Masako machte die Tür auf, wandte sich ihm noch einmal zu und

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