Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Töpfchen füllt, eine, die den Plastikdeckel aufdrückt, eine, die einen Löffel mit Klebestreifen daran befestigt, eine, die das Frischesiegel aufklebt – viele kleine aufeinander folgende Schritte am Fließband, bis endlich ein Curry-Lunchpaket fertig war.
Die Schicht hatte begonnen. Masako warf einen kurzen Blick auf die Uhr an der Wand. Erst fünf nach zwölf. Fünfeinhalb Stunden noch mussten sie auf dem kalten Betonboden stehen und weiterarbeiten. Selbst, wenn sie zur Toilette wollten, mussten sie
sich einzeln auswechseln lassen. Manchmal dauerte es fast zwei Stunden, bis man an die Reihe kam, nachdem man sich gemeldet hatte. Deshalb musste man mit den eigenen Kräften haushalten, kameradschaftlich helfen und sich helfen lassen und anstrengende Bewegungen möglichst vermeiden. Das war das Geheimnis, eine solche Arbeit lange durchhalten zu können, ohne sich körperlich kaputtzumachen.
Nach etwa einer Stunde war die Neue offenbar am Ende. Ihre Leistungsfähigkeit sank zusehends. Die Reihe drohte sich zu verlangsamen. Da nahm Yayoi der Neuen hastig einen Teil der Arbeit ab, indem sie ihr zwischendurch immer wieder einen Reiskloß flach drückte. Sie ist zu gutmütig, dachte Masako. Sie hatte an sich selbst zu denken. Gerade heute, wo sie so erschöpft war!
Jeder, der lange genug dabei war, wusste, was für eine anstrengende Arbeit das Reisplätten war. Denn der weiße Reis war nicht frisch gekocht, sondern kalt und fest. Um einen festen, viereckigen Reisklumpen in einem kurzen Augenblick flach zu drücken, brauchte man Kraft im Handgelenk und in den Fingern, und weil man diese Bewegung in vorgebeugter Haltung ständig wiederholen musste, zogen einem die Schmerzen bis in den Rücken hinein. Nach einer Stunde tat vom Rücken bis hinauf in den Oberarm alles weh, bis man irgendwann den Arm nicht mehr heben konnte. Deshalb wurde diese Arbeit den Neuen überlassen, die keine Ahnung hatten. Aber Yayoi machte mit resignierten, traurigen Augen stoisch weiter.
Als tausendzweihundert Portionen Curry-Lunch fertig waren, musste die Arbeitsgruppe rasch das Band freiräumen, säubern und sofort an ein anderes Band wechseln.
Als Nächstes waren zweitausend Portionen »Gourmet-Theaterpausen-Lunch« herzustellen. Wegen der größeren Anzahl verschiedener Bestandteile verlängerte sich hierbei auch die Produktionsreihe. Brasilianische Arbeiter mit blauen Kochmützchen schlossen sich hinten an.
Yoshië und Masako übernahmen nach wie vor das Reisaufgeben. Die gewiefte Kuniko zeigte sich rücksichtsvoll und sicherte Yayoi die leichteste Arbeit des Einsoßens der Schweinefleisch-Nuggets. Man nahm je ein Stück paniertes, frittiertes Schweinefleisch in jede Hand und tunkte sie in einen Bottich mit Soße.
Dann drückte man die beiden Nuggets mit der eingetunkten Seite aneinander und legte sie in die Schale. Eine gute Arbeit, bei der man der Hektik des Bandes ein wenig entfliehen konnte. Das dürfte selbst für Yayoi heute zu schaffen sein, dachte Masako und wandte sich beruhigt ihrer Arbeit zu.
Aber als das letzte Lunchpaket gerade durchgerollt war und man schon mit dem Aufräumen begonnen hatte, ließ ein heftiges Poltern die Leute in der Halle zusammenzucken. Yayoi war über den Behälter mit der Schweinebratensoße gestolpert und war hingefallen. Der Metalldeckel war scheppernd bis zum Fließband nebenan gerollt, und um Yayoi hatte sich ein Meer aus glänzender, dicker, brauner Soße gebildet.
Der Fabrikboden klebte und glitschte nur so von herabgetropftem Fett und verschütteter Soße. Die Arbeiter fürchteten diese Schweinerei und gaben Acht. So ein Missgeschick kam deshalb nur höchst selten vor.
»Was ist denn hier los, verdammt!« Nakayama kam knallrot vor Wut auf sie zugeschossen und brüllte herum. »Aach, nun seht euch die Sauerei an!«
Männer mit Wischmops rannten herbei.
»Entschuldigung. Ich bin ausgerutscht.« Yayoi saß völlig ratlos mit dem Hintern in der Soße und machte keinerlei Anstalten, aufzustehen. Masako stürzte zu ihr hin und griff ihr unter die Arme. »Schnell, steh schon auf!«
Unter Yayois hochgeschlagenem Arbeitskittel entdeckte Masako einen großen, blauschwarz angelaufenen Fleck im Bereich der Magengrube. Ob das der Grund dafür war, dass es Yayoi heute nicht gut ging? Als hätten die Götter ihr ein Unglücksmal aufgedrückt, stach der Fleck auf dem weißen Bauch überdeutlich ins Auge. Masako schnalzte mit der Zunge und beeilte sich, den Saum von Yayois Arbeitskittel hinunterzuziehen,
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