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Die Un-Heilige Schrift

Die Un-Heilige Schrift

Titel: Die Un-Heilige Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmuth Santler
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als die vergleichsweise unwichtige körperliche Vereinigung, die gleichwohl stattgefunden haben mag.
    Sicher ist, dass Jesus ungeachtet der Diskussionen um „Jünger, die er lieb hatte“, um Lieblingsjünger und solche, die es werden wollten, für sich längst eine Entscheidung getroffen hatte: Die Frauen waren ihm allgemein lieber als die Männer und Maria Magdalena war ihm lieber als alle anderen Frauen.

Die heilige Hure
    Die entstehende Orthodoxie stand also vor einem ernsthaften Problem – weder Jesu Bevorzugung der Frauen noch die gnostische Ausrichtung des Christentums im Sinne des Evangeliums der Maria konnte ihren Zielen dienlich sein. Andererseits war Maria Magdalena eine außergewöhnlich wichtige Gestalt, egal von welcher Seite man es betrachtete, und eine simple Verleugnung war weder möglich noch wünschenswert:

    Büßende Maria Magdalena, Francesco Hayez, 1825
    Wollte man den Heiden das Christentum überstülpen, wurden Anknüpfungspunkte benötigt, einfach fassbare Identifikationsmöglichkeiten; und für die Tradition der Göttin, für unsterbliche Frauenfiguren wie Isis, Venus oder Aphrodite, kam im gesamten Bibelkosmos eindeutig nur Maria Magdalena in Frage. Eva hatte ihren extrem schlechten Ruf weg und die dritte große biblische Frauengestalt, die Mutter Gottes, war als Muttergestalt per se ungeeignet für den Bereich der (erotischen) Liebe, der nun einmal zum Leben gehörte und gehört, was auch immer die Kirchenväter dagegen hatten oder taten.
    Allen patriarchalischen Utopien zum Trotz: Ohne Frauen ging es einfach nicht, weder biologisch noch mengenmäßig noch sonst irgendwie. Und weder mit einer schuldbeladenen Eva, deren Erbe die Sünde ist, noch mit einer in immer entrücktere Sphären der Jungfräulichkeit und Unbeflecktheit abdriftenden Madonna war viel anzufangen; ganz besonders das einfache Volk, das nun mal die Masse ausmachte und ohne das die Kirche als Gemeinde schlagartig aufgehört hätte zu existieren, benötigte eine werbewirksame Frauengestalt, eine würdige Partnerin an der Seite von Jesus Christus. Maria Magdalena wurde gebraucht; aber keinesfalls so, wie es ihr von ihrer wahren Bedeutung her zustand, sondern instrumentalisiert im Sinne der männlichen Kirchenmacher.
    Apostola apostolorum
    Zunächst sah es allerdings gänzlich anders aus: Ihrer überragenden Rolle als „Königin“ der jesuanischen Anhängerschaft entsprechend wurde ihr von frühen Kirchenschriftstellern der Titel „Apostola apostolorum“, „Apostelin der Apostel“, verliehen; eine Ehrenbezeichnung, die sich bis ins späte Mittelalter erhielt. Hippolyt von Rom schrieb im frühen dritten Jahrhundert:
    Christus erschien den Frauen, damit sie Apostel Christi seien. Christus sagt zu jenen: Ich selbst bin diesen Frauen erschienen, ich wollte sie zu euch als Apostel schicken.
    Und Gregor von Antiochien lässt Jesus Folgendes zu den Frauen sagen:
    Seid die ersten Lehrerinnen der Lehrer. Petrus soll lernen, dass ich auch Frauen als Apostel erwählen kann. (credobox.de)
    Frauen sollten Apostel sein? Noch schlimmer – eine Frau sollte die Oberste aller Apostel sein? Was eine Zeit lang richtig und möglich schien, wurde im Zuge der Kanonisierung und dem späteren Aufschwung der katholischen Kirche zur beherrschenden Macht des Mittelalters gründlich getilgt. Zunächst wurde den Frauen das Recht genommen, überhaupt Apostel zu sein: Der Evangelist Lukas machte es sich einfach und behauptete in der Apostelgeschichte schlichtweg, Kriterium Nr. 1 für die Übernahme der Apostelwürde sei es, ein Mann zu sein. Die einzige weitere biblische Quelle zu diesem Thema ist Paulus; ihm zufolge ist Apostel, wer von Jesus berufen wurde und ausgesandt, das Evangelium zu verkünden. (Apostel bedeutet wörtlich „Gesandter“.)
Apostelinnen und wichtige Kirchenführerinnen wurden aus der Bibel entfernt.
    Das würde Frauen nicht ausschließen und tat es auch nicht: Im Römerbrief sind im apostolischen Zusammenhang drei Namen erwähnt, Phöbe, Junia(s) und Isebel. Allerdings nach Maisch in einen gänzlich anderen Kontext gerückt:
    Phöbe darf in den Übersetzungen von Röm 16, 1 f. nicht als das auftauchen, was sie ist: Diakon der Kirche von Kenchreä; Junia durfte zwar den Aposteltitel behalten, musste aber ( durch späteres Anhängen eines -s, Anm. ) zum Mann mutieren, und Isebel, die Prophetin und Lehrerin (Offb 2, 20–23), wurde zur Hure – eine Karriere, die Maria Magdalena noch vor sich hat. (S. 23)

    Tizians 1533

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