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Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Titel: Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaétan Soucy
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Zufall und immer zu seinem eigenen Erstaunen. Seine Kunst war es, gerade so viel zu wissen, um Schlägen zu entgehen und nicht sitzenzubleiben. Er schaute den Direktor an und schwankte zwischen der Versuchung, eine Antwort von historischer Torheit zu geben, und der Aussicht auf eine gepfefferte Kopfnuss, falls er es tatsächlich wagen sollte, denn Mademoiselle Clément war inzwischen näher an ihn herangetreten (Bruder Gandon selbst erhob, wie alle wussten, niemals die Hand gegen die Schüler). Bradette lächelte starr.
    »Die Reinheit, mein Bruder?«
    Die Lehrerin beugte sich über ihn, und er konnte ihren Frauenduft riechen. Sie sagte:
    »Der Bruder fragt dich, Bradette. Also antworte.«
    Bradette hätte gern etwas gesagt, um die ganze Klasse zum Lachen zu bringen, doch die warme Ausstrahlung Mademoiselle Cléments, die ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte, beraubte ihn all seiner Mittel. Es verlangte ihn unbändig danach, ihr in den Hals zu beißen. Clémentine richtete sich auf und tätschelte ihm den Kopf. Dann entfernte sie sich zu seinem großen Bedauern wieder. Er warf ihr einen hasserfüllten Blick zu und sagte sich: »Sie ist ein Huhn wie alle anderen auch.«
    Bruder Gandon begann über die Reinheit zu referieren. Guillubart mochte den Direktor. Er hörte ihn gern reden. Aber jetzt hatte er Mühe, den Sinn seiner Sätze zu erfassen. Er verstand nur vereinzelte Wörter, die sich in ihm festsetzten wie Steine, die auf schlammigen Boden fallen. Er mochte auch Mademoiselle Clément, aber sie war streng und machte ihm Angst. Ganz unvermittelt fielen ihm die Zeichnungen ein. Ja, genau! Jetzt erinnerte er sich: Sie hatte seine Zeichnungen entdeckt! Deswegen hatte er Angst! Wie hatte er das nur vergessen können! Er begann mit den Zähnen zu klappern. Es schien ihm, als bereite sich Mademoiselle Clément, die am Fenster stand und sich den Handrücken kratzte, darauf vor, ihn zu erwürgen. Bruder Gandon sprach von der Reinheit des Körpers und der Reinheit der Seele. Guillubart spürte in seinen Gliedern kribbelnde Insekten, die ihm die Knochen blankfraßen wie Ameisen unter der Rinde eines Baumes. Der Hausmeister lief über den Flur und läutete dabei die Pausenglocke. Die Schüler standen auf, um ihre Reihen zu bilden. Guillubart fragte sich, ob er es schaffen würde, sich zu ihnen zu stellen.Mademoiselle Clément warf ihm einen zürnenden Blick zu. Zum Aufstehen stützte er die Fäuste aufs Pult. Er tat, als ginge es ihm gut wie immer. Er verbarg seine zitternden Hände in den Taschen. Es gelang ihm noch zu lesen, was die Lehrerin an die Tafel geschrieben hatte:
    Unreinheit ist eine Krankheit, die man selbst verschuldet hat .
    * * *
    Bruder Gandon stopfte seine Pfeife, und Mademoiselle Clément konnte nicht umhin, seine langen, schmalen Hände zu bewundern, die so männlich waren und immer leicht befleckt, denn der Direktor war Sonntagsmaler. Clémentine atmete gewohnt widerstrebend die verbrauchte Luft des Zimmers. In diesem Büro wurde niemals gelüftet, und in der Luft schwebte ein Geruch von modrigem Tabak und altem Whisky (es war ein offenes Geheimnis, dass Bruder Gandon regelmäßig trank, aber da er es nicht übertrieb, wurde darüber hinweggesehen). Er war vielleicht sechsunddreißig oder siebenunddreißig Jahre alt: Trotz mancher List hatte Clémentine sein genaues Alter nie herausfinden können. Hochgewachsen, mit ergrauenden Schläfen, einem nachgerade vollkommen dreieckigen Gesicht und einer sehr schönen hohen Stirn mit leicht abgeschrägten Augen und etwas trübsinnig niedergeschlagenen Lidern. Er hatte den Ruf, ein sehr intelligenter Mann zu sein. Genau aus diesem Grund ärgerte sich Mademoiselle Clément so oft über ihn. Er war so intelligent, dass er rein gar nichts begriff und man ihm alles erklären musste, denn er besaß die ausgesprochen leidige Gabe, nicht an die Existenz von Dummheit oder Bösartigkeit zu glauben, selbst wenn sie ihm sozusagen vor der Nase baumelten. Er war bereit, alles zu entschuldigen,jedermann die besten Absichten zu unterstellen. Für Clémentine genügte es, die Augen zu öffnen, um zu sehen, dass tausend Tatsachen dieser Geisteshaltung widersprachen, und sie empfand dieses franziskanische Wohlwollen als Angriff auf die eigene Person. Darüber hinaus besaß Bruder Gandon in unübertroffenem Maße die Fähigkeit, nichts zu bemerken, wenn Mademoiselle Clément sich ihm in einem neuen Kleid präsentierte.
    Aber nun glaubte sie, seine Gemütsruhe endlich einmal

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