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Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Titel: Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaétan Soucy
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Verwirrt senkte sie den Kopf. Sie hatte ihn verletzen wollen, es auch geschafft, und nun bekam sie es selbst wieder voll zurück. Da war er wieder, ihr typischer Tritt auf die Harke.
    »Ich habe es nicht so gemeint, wie ich es gesagt habe, Bruder. Bitte verzeihen Sie. Aber wenn ich es Ihnen doch sage,dass sie die Schüler sind, die ich gestern Abend auf dem Brandgelände gesehen habe. Rocheleau, Guillubart, Bradette! Ich hab sie von meinem Fenster aus gesehen. Mit meinen eigenen Augen!«
    »Das ist sicher gefährlich, sie hätten sich weh tun können. Ich habe übrigens die Absicht, sie noch heute dafür zu rügen, wenn es das ist, was Sie von mir erwarten. Aber Sie müssen zugeben, dass das alles doch ganz natürlich scheint. Es gab so viele Tote bei dem Brand, dass sie vielleicht dort Geister vermuten und aus Abenteuerlust hingehen oder aus Lust, sich zu gruseln, etwas in der Art. Solche Empfindungen sind für ein Kind so neu, dass es noch an den unangenehmsten Vergnügen findet. Sie konnten dem Reiz nicht widerstehen, dort hinzugehen und sich zu fürchten. Das ist alles.«
    »Sie vergessen den Mann, der auch auf das Gelände vom Grill gekommen ist!«
    »Aber Sie haben doch selbst erzählt, dass die Kinder hinter einer Mauer versteckt waren und Sie nicht wissen, was sich zugetragen hat. Angenommen, es wäre dort etwas passiert. Sie wissen nicht einmal, ob der Mann mit den Kindern gesprochen hat.«
    »Ich habe gesehen, dass dieser Mann beim Weggehen etwas unter seinem Mantel verborgen hielt, das er offenbar sogar vor der eigenen Mutter verstecken wollte, einer armen Alten im Rollstuhl. Finden Sie das nicht verdächtig …? Ich habe telefonisch die Feuerwehr informiert, der Hauptmann ist ein hochanständiger Mann!«
    Sie wunderte sich, länger als notwendig an den Feuerwehrhauptmann zu denken. Gandon schien zu überlegen.
    »Und Sie sagen, Sie haben denselben Mann vorhin im Hof gesehen?«
    »Er war es, er ist Angestellter bei der Bank. Ohne Hut habe ich ihn nicht gleich wiedererkannt, denn gestern auf dem Gelände vom Grill , da trug er einen. Ich habe gesehen, wie Guillubart vorhin beim Aufstellen einen Zettel in den Hut fallen ließ. Dieser Mann kann nur deswegen gekommen sein, wie ließe es sich sonst erklären, dass er in unseren Hof kommt. Argwöhnisch, von mir aus, wie Sie wollen, aber denken Sie auch an die obszönen Zeichnungen, die ich gestern in Guillubarts Ranzen gefunden habe, und an die sichtliche Verwirrung von Bradette, als Sie heute mit ihm über die Reinheit sprachen, dann werden Sie eingestehen müssen, dass ich zurecht fürchte, dass Dinge geschehen, die sehr … nun ja, Sie verstehen mich, Bruder.«
    Der Direktor nickte nachdenklich. All das schien ihm an den Haaren herbeigezogen. Aber konnte man sich sicher sein …? Er hatte den besagten Herrn schon des Öfteren gesehen, hier im Viertel oder sonntags in der Messe. Beachtenswert an ihm war, dass er niemals am Abendmahl teilnahm. Er betete mit auffallend großer Leidenschaft. Aber selbst an Weihnachten und an Ostern verließ er bei der Elevation hastigen Schrittes die Kirche. Verwundert hatte sich der Direktor an Pfarrer Cadorette gewandt, der den jungen Mann offenbar gut kannte; aber dem Alten schien die Frage unangenehm zu sein und er wechselte rasch das Thema. Seitdem hatte der Direktor nicht mehr darüber nachgedacht.
    Bruder Gandon war ans Fenster getreten, die Pfeife zwischen den Zähnen, die Arme hinterm Rücken verschränkt. Er beobachtete die Schüler in ihrer Pause. Unwillkürlich verfolgte er das Hin und Her der Mannschaften beim Brennball. Er bedauerte, diese Kinder nicht besser zu kennen, jedes einzelne von ihnen, so wie man seine Brüder und Schwestern kennt.Aber ein Jahr kamen sie, ein Jahr gingen sie, so schnell war es vorbei. Clémentine hatte sich zu ihm ans Fenster gestellt. Sie fand es tröstlich, so neben ihm zu stehen. Sie folgte seinem Blick. Rocheleau und Bradette nahmen nicht am Spiel teil. Immer zusammen, immer abseits der anderen. Sie schienen in eine lebhafte Diskussion verwickelt. Man fragte sich, was diese beiden Schüler gemeinsam haben konnten. Bradette war eine vollkommene Niete, worüber sich Mademoiselle Clément unablässig beklagte, während Rocheleau mit seiner scheuen Fuchsschnauze zu den Kindern gehörte, die alles begriffen, Rechnen, Grammatik, Erdkunde, noch bevor man es zu Ende erklärt hatte.
    »Man nennt sie auch die Zwillingsvögel « , sagte Clémentine. »Die Jungs entwickeln ihre Zuneigung in

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