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Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Titel: Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaétan Soucy
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ich die Kippe haben?«
    Bradette hob bestätigend die Hand und entledigte sich einer Tabakfussel.
    »Da haben wir ganz schön Schwein gehabt gestern Morgen, was?«
    Rocheleau zögerte:
    »Du meinst bei Bruder Gandon im Büro?«
    Er schielte auf die Zigarette, die immer weiter herunterbrannte. Es war erniedrigend, immer auf den Zigarettenstummel der anderen warten zu müssen, aber er hatte sich mit dieser Erniedrigung abgefunden. Bradette überging einfach seine Frage:
    »Guillubart ist ein Angsthase. Und er macht sich Sorgen wegen nichts. Hast du gesehen, wie er sich auf der Erde gewälzt hat? Pfff … Was würde Guillubart sonst noch alles tun, um nicht zum Direktor gehen zu müssen!«
    Rocheleau schaute zu Boden zwischen seine Füße. Er fand, dass man über Guillubart so nicht sprechen durfte. Er erwiderte:
    »Ich hatte auch Angst.«
    »Weil du genau so ein Schisser bist wie er. Na und? Was war so schlimm daran, eine halbe Stunde bei Gandorette im Büro zu sitzen? Er hat uns seine Strafpredigt gehalten, weilwir auf das Gelände vom Grill gegangen sind, hat uns eine halbe Stunde nachsitzen lassen wegen einer versauten Zeichnung, na und? Bruder Gandon ist eine Hohlbirne, das weißt du auch, und ich habe keine Angst vor Hohlbirnen.«
    Wieder spuckte Bradette in den Schnee, ein Kleinjungentick.
    »Bradette … Glaubst du … glaubst du, Guillubart wird was sagen?«
    Selbstsicher zuckte Bradette die Schultern. Rocheleau wartete auf eine Antwort, die aber nicht kam. Bradette wurde gereizt. Er erklärte, wie er die Lage einschätzte:
    »Der sagt nichts. Wer so feige ist und kneift, wenn’s brenzlig wird, ist auch zu feige, die anderen zu verraten.«
    Im Tonfall klang er wie jemand, der viel über die Menschen gelernt hatte, was seinem Kumpanen imponierte.
    »Und außerdem, wenn du mich fragst, umso besser, wenn wir Guillubart los sind. Fandest du nicht, er hat sich manchmal aufgeführt wie ein Mädchen? Heulsusen können wir nicht gebrauchen. Was ist, willst du nicht?«
    Schlotternd hielt er ihm den Zigarettenstummel hin. Rocheleau nahm ihn ungeschickt zwischen Zeigefinger und Daumen, als wäre er vergiftet. Er spürte ein leichtes Brennen, als er ihn an die Lippen führte. Ein bitterer Saft drang in seinen Mund, an dem er sich fast verschluckte, und er zwinkerte mit den Augenlidern. Immerhin gelang es ihm, nicht zu husten.
    »Also, ich glaube, es ist Zeit«, verhieß Bradette. »Amor! Sind wir in deinem Bann, dann – gute Nacht, Verstand und Denken!«
    Rocheleau lachte kurz auf und musste mit den Tränen kämpfen.
    Er folgte Bradette, der in bester Laune mit den Händen in den Taschen voranging. Sie verschwanden in der Dunkelheit der Seitenstraße. Rocheleau bereute sein Kommen. Er dachte an sein Zimmer, an sein warmes Bett. Es war so schön, auf dem Bauch zu liegen, die Tür verriegelt, und im Lampenschein die Abenteuer von Claude Lightfood zu lesen. Was hinderte ihn daran, schnurstracks umzudrehen? Nichts, sagte er sich. Es war noch nicht zu spät. Und trotzdem fühlte er sich gezwungen mitzugehen.
    Sie waren an einem Holzzaun angelangt. Bradette legte den Finger auf die Lippen. Wieder kam Rocheleau für den Bruchteil einer Sekunde der Gedanke, sich in sein warmes Zimmer zu flüchten ...
    Sie gingen in den Hof. Der mit Schotter vermischte Schnee knirschte unter ihren Sohlen. Rocheleau hatte das Gefühl, die Nacht zerreiße unter ihren trampelnden Schritten wie ein Leinentuch. Die Tür zum Lagerschuppen stand offen, genau wie sie gehofft hatten. Sie betraten die Treppe, die zur Galerie hinaufführte. Von dort aus konnte man das Fenster sehen.
    »Ist nicht mehr weit«, murmelte Bradette.
    Er zog die Uhr aus der Hosentasche, die er seinem Onkel entwendet hatte. Im schwachen Schein des Nachtlichts konnten sie unter dem gesprungenen Glas die Zeiger erahnen. Sie zeigten auf acht Uhr. Durch die Mauern hörten sie abgehackt ein grelles Miauen, das anschwoll und wieder abklang.
    »So viel ist sicher«, sagte Bradette, »in dem Verhau hier gibt’s keine Mäuse!«
    Sie hatten sich auf den Boden gesetzt und in die Wolldecke eingemummt, die Bradette mitgebracht hatte. Ihre Köpfe berührten sich. Rocheleau atmete den sauren Atem seines Kumpanen ein. Er konnte nicht glauben, dass alles wie geplantvonstatten gehen würde. Es kam ihm so vor, als würden sie endlos warten, als würde das alles nirgendwohin führen. Ihr Blick war auf das Fenster gerichtet.
    Da öffnete sich die Zimmertür und die Lampe leuchtete auf.
    »Jetzt

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