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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Tieren, ein Leben im Dienste der Unschuldigen der Erde, im Dienste derer, die nicht lügen konnten, weil sie der Sprache nicht mächtig waren, derer, die anderen nichts neideten oder stahlen, die einen niemals betrogen und nie Lust aus dem Schmerz und der Verzweiflung anderer bezogen, die niemals jene versklavten, misshandelten und demütigten, die schwächer waren als sie selbst.
    Aber heute Nacht hatte sie im Lichte dieser wunderschönen überirdischen Augen einen flüchtigen Blick auf etwas erhascht, das sie zusätzlich zu dem, was sie bereits hatte, noch brauchte. Sie scheute davor zurück, es zu wollen, aus Furcht, sie bräuchte es nur zu wollen, damit es ihr garantiert vorenthalten würde, aber sie sehnte sich trotzdem verzweifelt danach. Ihr Leben war mit Schönheit erfüllt, mit der Flora und Fauna der Berge, doch sie sehnte sich auch danach, das zu besitzen, was sie für den Moment nur »das Geheimnisvolle« zu nennen wagte. Sie wollte Geheimnisvolles in ihrem Leben haben, Unerklärliches, aber nicht Unvorstellbares, Dinge, die ihr Geist berühren konnte und die ihre Hände doch nie fühlen konnten,
Geheimnisvolles, das ihr halbleeres Herz mit Verwunderung füllen konnte.
    Durch die sanft hügelige Landschaft führte die Straße hinauf und hinab, und eingebettet in die geometrischen Muster weißer Lattenzäune sah sie Symbole, die sie nie zuvor erkannt hatte, Symbole, die bei der Errichtung der Zäune nicht beabsichtigt gewesen waren. Diese Symbole waren nichts weiter als eine Folge des Prinzips der richtigen Gestaltung, und doch waren sie Piktogramme, die seit undenklichen Zeiten Metaphern der Hoffnung dargestellt hatten.
    Wie schon auf der Weide der High Meadows Farm verschwamm alles vor ihren Augen. Sie fuhr an einer Stelle, wo sich die Standspur verbreiterte, an den Rand der Schnellstraße, stellte den Explorer auf Parken, zupfte ein Kleenex aus der Schachtel auf dem Armaturenbrett und tupfte sich die Augen ab.
    Angesichts der prachtvollen Pferde und ihrer kleinen Lieblinge hatte Cammy nicht verstanden, welches Gefühl ihr die Tränen in die Augen getrieben hatte. Ob in dem Moment dasselbe Gefühl am Werk gewesen war wie jetzt, wusste sie nicht, aber sie wusste, was sie diesmal zu Tränen rührte. Ihr Leben vor ihrem fünfzehnten Geburtstag war unsäglich, ihr Leben in den letzten zwanzig Jahren in vielerlei Hinsicht asketisch gewesen. Sie fand ein gewisses Glück, indem sie sich selbst viel abverlangte und nichts von anderen erwartete. Zudem bemühte sie sich, die Jahre der Versklavung mit Jahren des bereitwilligen Dienstes an dem, was auf Erden gut war, aufzuwiegen. Es schien ihr darum zu gehen, jegliches Schandmal auszumerzen,
das die Vergangenheit auf ihr zurückgelassen hatte. Jetzt stand sie im Mittelpunkt mysteriöser Geschehnisse von großer Tragweite. Obwohl sie in ihrer Jugend kreuzunglücklich und mutlos gewesen war, wusste Cammy ohne jeden Zweifel – so, wie Gänsen das sichere Wissen um den richtigen Zeitpunkt im Blut liegt, dem Winter nach Süden vorauszufliegen –, dass die Gegenwart dieser beiden Geschöpfe in ihrem Leben bedeutete, wenn sie früher auch noch so kaputt gewesen sein mochte, jetzt war sie wieder heil.

36
    Im Schlafzimmer trat Merlin das große, füllige Kissen platt, das ihm als Schlafplatz diente. Dann drehte er sich dreimal um sich selbst, bevor er sich mit einem Seufzer niederließ, mit dem Kopf zwischen den Pfoten und dem Schwanz zwischen den Hinterbeinen.
    Grady hatte aus dem Arbeitszimmer im Parterre ein weiteres Hundekissen nach oben mitgenommen und es in die Zimmerecke gelegt, wo auch Merlins Kissen lag. Er hatte das sichere Gefühl, ihre Besucher würden dem Beispiel des Wolfshundes folgen und verstehen, wo sie schlafen sollten.
    Puzzle und Riddle lehnten es jedoch vorerst ab, sich für die Nacht zurückzuziehen. Sie drehten ihre Runden durch das Zimmer, schnupperten da und dort, schauten unter die Kommode und kosteten einen kleinen Schluck Wasser aus jedem der drei Näpfe, während Grady die Gardinen vor den Fenstern zuzog.
    Als er die dünne Tagesdecke faltete und ordentlich über dem Fußende des Betts drapierte, als er die Zudecke zurückschlug und seine Kissen aufschüttelte, saßen die beiden da, neigten die Köpfe nach rechts und beobachteten ihn, als faszinierten seine Rituale sie.
    »Ich hoffe, euch ist aufgefallen«, sagte er, »dass mein Bettzeug vorher faltenlos und so straff gespannt war wie eine Trommel.«
    Riddle legte seinen Kopf nach

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