Die unbeugsame Braut
Georgina, einem plötzlichen Impuls folgend, die Arme um den Hals ihres Ehemannes und bot ihm kussbereit ihren Mund. Als seine Lippen die ihren fanden, applaudierte der gesamte Dienerstab. Georgina löste sich als Erste und flüsterte ihm ins Ohr: »Danke. Ein weiterer Kuss, und sei es auf die Stirn, und ich wäre verloren.«
Helen Taylor, die schon eine Woche zuvor auf Woburn eingetroffen
war und Georginas Garderobe, ihre persönlichen Sachen und Besitztümer gebracht hatte, wartete in der Eingangshalle am Fuß der prachtvollen Treppe. »Nie hast du hübscher ausgesehen, mein Lämmchen. Ich bringe Mantel und Hut nach oben.«
»Danke, Helen.« Georgina hängte sich bei dem langjährigen Butler ein. »Ich vertraue mich nun Ihnen an, Mr. Burke. Während mein Mann sich in seinem Büro wichtigen Dingen widmet, bitte ich Sie, mit mir einen Rundgang durch mein neues Heim zu machen.«
John verkniff sich ein Lächeln, als er den beiden nachblickte, wie sie aus der Halle gingen. Der gute Burke steht im Begriff, Georginas unwiderstehlichem Charme zu verfallen, und wenn ich mich nicht irre, fressen ihr die anderen schon aus der Hand.
Burke führte Georgina in den großen Empfangssalon und dann durch zwei kleinere in den Privatsalon.
Sie ging zum Kamin und blickte zu dem Gemälde hinauf, das über dem Sims hing. »Was für eine schöne Frau. Wer ist sie, Mr. Burke?«
»Elizabeth, die erste Gemahlin des Duke of Bedford.«
»Ach …« Georginas Lippen waren plötzlich ganz trocken. Beim Anblick des Bildes verflüchtigte sich ihre neu gefundene Selbstsicherheit. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Johns Frau von so erlesener Schönheit war. Ihr fiel ein Satz von Francis ein, sein Bruder habe seine Frau innig geliebt, und seine Trauer verzehre ihn fast.
Unwillkürlich verglich sie sich mit der groß gewachsenen, schlanken und blonden Elizabeth. Ich bin zu klein, zu dunkel … Nie könnte ich ihren Platz in seinem Herzen einnehmen. In wenigen Augenblicken war ihr Selbstvertrauen geschwunden und hatte tiefer Unsicherheit Platz gemacht.
Burke schenkte ihr ein Glas Rotwein ein. Ihre Blicke trafen sich, und Georgina erkannte, dass sie einen treuen Verbündeten gefunden hatte. Als sie an ihrem Wein nippte, überlegte sie, dass es wohl länger dauern würde, Johns Liebe zu gewinnen.
Oben öffnete Helen die Tür des Schlafgemaches, das für Georgina vorbereitet worden war. Ihre eigenen, vertrauten Möbelstücke aus dem Haus an der Pall Mall nahmen ihr ein wenig von ihrer Befangenheit.
»Ich fand diesen Raum geeignet, weil sich nebenan eine geräumige Garderobe für deine vielen schönen Kleider befindet und weil es an das Schlafgemach des Herzogs anschließt«, erklärte Helen.
»Ich wusste nicht, dass wir in getrennten Zimmern schlafen würden.«
»Ha! Schlaf wird es wenig geben. Du wirst ihn in einem Bett lieben und dich dann ins andere legen.«
Georgina fühlte sich ganz klein. »Helen, eben habe ich ein Porträt von Johns Frau gesehen. Ich fürchte, dass er noch immer in sie verliebt ist.«
»Unsinn! Du würdest bei jedem Vergleich haushoch gewinnen.«
»Wieso glaubst du das?«
»Sie ist tot. Georgina Russell aber ist lebendiges Fleisch und Blut. Außerdem bist du die Duchess of Bedford. Vergiss das nie! Und lass es auch ihn nie vergessen!«
Georgina lächelte zaghaft. »Ich bin ja so froh, dass du da bist.«
Die Neuvermählten nahmen allein ein intimes Dinner zu sich, das vom Koch eigens zubereitet worden war. Sie ließen sich zwei Stunden Zeit – John wollte jeden Anschein vermeiden, dass Georgina von ihm gedrängt wurde.
Nach dem Dinner ging sie in den Küchentrakt und machte dem Koch und seinen Helfern Komplimente. Erfreut über ihre Aufmerksamkeit, fragte er, was sie sich zum Frühstück wünsche und ob sie es oben serviert bekommen wolle.
Sie bemühte sich, nicht zu erröten. »Nein, nein, wir werden in dem kleinen Speisezimmer essen, wo wir heute diniert haben. Nach dem Frühstück brechen wir sofort nach Cambridge auf.«
Georgina ging hinauf und traf Helen im geräumigen Garderobenzimmer beim Packen der Dinge für die Hochzeitsreise.
»Deine neuen Kleider aus Paris sind schon ein kleines bisschen gewagt, wenn auch sehr schön. Ich freue mich, dass du lebhafte Farben gewählt hast. Das jadegrüne Kleid hat die Farbe deiner wundervollen Augen.«
»Ich war dieser faden Debütantinnenfarben einfach überdrüssig.« Ganz zu schweigen von den langweiligen Trauermonstrositäten, die Mama mir aufgezwungen hat.
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