Die unbeugsame Braut
stundenlang wach in der Dunkelheit, ehe ihre Erstarrung allmählich wich und einer umfassenden Wut Platz machte. Wut auf Francis Russell, der die Wurzel allen Übels war. Wut auch auf ihre Mutter, die sie in die Arme dieses verkommenen Lebemannes getrieben hatte.
Die größte Wut aber hatte sie auf ihre Schwester Susan und deren Mann, die sich in diesem perfiden Verführungsplan zu Handlangern ihrer Mutter gemacht hatten. Und schließlich war sie wütend auf John Russell, weil er sie unter falschen Voraussetzungen geheiratet hatte. Damit waren all ihre schönen Träume zerplatzt wie Seifenblasen.
Dieser dominante Mensch hat es fertiggebracht, dass ich mich ganz seinem Willen unterordnete. Er manipulierte mich zu einem Zeitpunkt, als ich am verwundbarsten war. Meine Instinkte hätten mich warnen müssen, dass dieser Mann sich quasi gottgegebene Gewalt über mich anmaßt.
Sie lag in der Dunkelheit, während sich in ihrem Kopf die unglücklichen Gedanken jagten. Allmählich aber dämmerte ihr, dass die Schuld ganz allein bei ihr lag. Ich war es, die mit Francis Russell herumflirtete, ihn lockte und mit ihm spielte, sodass er mir mit hängender
Zunge nachlief. Das alles tat ich, obwohl mein Bruder mich mehrmals warnte, dass der Herzog ein elender Frauenheld sei. Ich hätte Mama unmissverständlich zu verstehen geben müssen, dass ich den Mann verachtete und ihn unter keinen Umständen zu heiraten beabsichtigte. Ich hätte Susan ins Vertrauen ziehen und ihr sagen sollen, dass es John Russell sei, der mir gefällt, und nicht Francis. Ganz im Gegenteil!
Georgina stellte sich ihren Ehemann schlafend im Polstersessel vor. Der Gedanke, dass John sie aus Pflichtgefühl und nicht aus Liebe geheiratet hatte, war zwar niederschmetternd, doch musste sie sich der Tatsache stellen. Ich bin mit einem Mann verheiratet, der mich nicht liebt, obwohl ich gelobte, mich nie auf eine Heirat ohne Liebe einzulassen. Schluss jetzt mit dem Selbstmitleid! Ob ich in Zukunft glücklich werde, liegt allein in meiner Hand. Um meine Träume wahr werden zu lassen, muss ich es schaffen, dass John Russell sich in mich verliebt. In der Dunkelheit verzog sich ihr Mund zu einem kleinen Lächeln.
27
G eorgina schlug die Augen auf und sah, dass es Morgen war. Jemand hatte die Vorhänge aufgezogen, und die Sonne schien hell in das Brautgemach. In diesem Moment fiel ihr alles wieder ein, und ihr Blick wanderte zum Sessel. Leer – ihr Herz wurde schwer.
John ist fort! Kein Wunder. Jeder Bräutigam mit etwas Selbstachtung, der seine Hochzeitsnacht in einem Sessel verbringen muss, wäre inzwischen meilenweit weg!
Doch die Tür ging auf, und John trat mit einem Tablett ein. »Guten Morgen. Ich dachte mir, du würdest ein Frühstück im Bett zu schätzen wissen.«
Sie setzte sich auf und lehnte den Rücken in die Kissen. »Letzte Nacht war mein Benehmen unmöglich … es tut mir leid, John.«
»Unsinn.« Er stellte das Tablett vor sie hin und setzte sich aufs Bett.
Ihre grünen Augen glänzten. »Du bist ein so höflicher Mensch. Höflich ist ein anderes Wort für zivilisiert. Ich nehme an, das ist eine Eigenschaft, die wir Gordons nie für uns werden beanspruchen können.«
John hob die silbernen Deckel von den drei Platten.
»Guter Gott, das kann ich doch nie im Leben aufessen.«
»Das hoffe ich auch nicht. Das meiste ist nämlich für mich.«
»Gieriger Teufel. Und so etwas habe ich als zivilisiert bezeichnet.«
»Ich habe eben einen gesegneten Appetit.« Sein Blick wurde von ihren entzückenden Brüsten angezogen, die sich verführerisch unter ihrem dünnen Nachthemd abzeichneten. In jeder Hinsicht bin
ich am Verhungern. Er sah sie begehrlich an und konnte nicht verhindern, dass sein Atem schneller ging.
Georgina war ihr Leben lang beigebracht worden, wie man einen Mann für sich interessierte. Feminin und verlockend zu sein, genügte nicht. Nein, eine Lady musste provozierend und zurückhaltend zugleich sein. Männer wollten immer das, was sie nicht haben konnten. Sie genossen die Jagd und fanden jedwede Herausforderung unwiderstehlich. Ich darf John nicht merken lassen, dass ich bis über beide Ohren in ihn verliebt bin.
Sie griff mit den Fingern nach einer Scheibe Speck, doch John kam ihr zuvor. »Magst du Speck, Georgy?«
»Ja«, gestand sie, »besonders wenn er knusprig ist.«
Er griff nach dem Teller und hielt ihr die Köstlichkeit an die Lippen. Sie schaute ihm lächelnd in die Augen und ließ sich von ihm füttern. »Jetzt habe ich
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