Die unbeugsame Braut
gut daran, euch heute im Match wacker zu schlagen, damit es später nicht heißt, die Schafe hätten ein größeres Recht auf den Rasen als ihr.«
»Kricketfans sind gegen Beleidigungen immun«, versicherte Charlotte. »Ehe das Spiel beginnt, wollen wir uns ein wenig umsehen, damit wir mit unseren eleganten Hüten angeben und über die Aufmachung der anderen Damen lästern können.«
Georgina war von Kopf bis Fuß in makelloses Weiß gekleidet. Neben ihrem modischen, breitkrempigen Hut diente ihr ein mit Rüschen besetzter Schirm als zusätzlicher Sonnenschutz.
Die beiden Schwestern schritten durch die Menge und tauschten Grüße mit Freunden und Bekannten aus, die gekommen waren, um den Wettkampf in einer Sportart zu sehen, die in der Oberschicht immer mehr Anhänger fand.
»Lady Stafford hält sich in diesem ekelhaften Grün wohl für unwiderstehlich,
obwohl sie in Wahrheit nur Abscheu erregt!« Charlotte warf einen Blick über die Schulter. »Wo ist der Junge nur hin?« Sie hatte ihren ältesten Sohn zum Match mitgenommen.
»Charlie ist bei seinem Vater«, beruhigte Georgina sie. »In seinem Alter fürchtet man nichts mehr, als in den Ruf eines Muttersöhnchens zu geraten.«
Die Damen beendeten ihren Rundgang und kehrten zu Lennox und Winchilsea zurück, die sie im Gespräch mit einer Gruppe von Gleichgesinnten antrafen.
Plötzlich blieb Georgina wie angewurzelt stehen. Verflixt und zugenäht! In eine Unterhaltung mit ihrem Schwager vertieft, entdeckte sie den schwarzhaarigen, dominierend und bedrohlich wirkenden Teufelskerl, dem sie am Tag zuvor beim Bach begegnet war. Die beiden schienen sehr vertraut miteinander zu sein, wie Freunde eigentlich. Eine zweite Begegnung mit diesem ungehobelten Menschen ist das Allerletzte, wonach mir der Sinn steht . Georgina wandte den Kopf und drehte ihren Sonnenschirm so, dass der große, dunkle Mann sie nicht erkennen konnte.
»Ist etwas?«, fragte Charlotte.
»Irgendwo da hinten muss ich meine Handschuhe verloren haben. Ich sehe mich rasch um und komme dann nach.«
Georgina ging den Weg zurück, den sie gekommen war – entschlossen, zwischen sich und den eingebildeten Kerl, der sie gestern beleidigt hatte, eine gehörige Distanz zu legen. Das Dröhnen in ihren Ohren war so laut, dass es alle anderen Geräusche übertönte. Warum läufst du weg? Nur ein Feigling tritt den Rückzug an , hielt ihre innere Stimme ihr vor. Ich laufe nicht weg , beruhigte sie sich selbst. Ich weiche nur einer unangenehmen Begegnung aus. Überhebliche, dominante Mannsbilder, die ihre angebliche Überlegenheit für gottgegeben halten, kann ich nicht ausstehen .
Georgina gesellte sich erst kurz vor Spielbeginn wieder zu ihrer Schwester, die bereits ihren Sitz eingenommen hatte.
»Na, hast du deine Handschuhe gefunden?«
»Nein. Vielleicht habe ich sie zu Hause vergessen.« Ihr Blick glitt über die Tribüne und suchte verstohlen nach dem dunklen Mann mit den ernsten Zügen. Schließlich erspähte sie ihn am Rand des Spielfeldes. Dort hatte er für seine drei Söhne einen Vorzugsplatz gefunden, von dem aus sie das Match aus der Nähe verfolgen konnten. Sie drehte ihren Schirm so, dass der Mann ihrer Sicht entzogen war.
Das Spiel begann, doch fiel es Georgina schwer, sich auf das Geschehen auf dem Rasen zu konzentrieren. Zu ihrem großen Ärger schien der dunkle Unbekannte ihre Gedanken anzuziehen wie ein Magnet. Trotz ihrer Abneigung reizte er ihre Neugier. Sie vergaß sogar den Spielstand und wusste am Ende nicht einmal, wer als Sieger vom Platz ging.
»Charlotte, dein Mann spielt famos.«
»Gottlob hat das Team aus Sussex gewonnen, denn andernfalls wäre es heute mit ihm nicht auszuhalten. Los, gehen wir zu unserem Wagen. Lennox und Winchilsea sind jetzt noch stundenlang mit Feiern und Trinken beschäftigt.«
Später versuchte Georgina beim Dinner ihre Neugier zu befriedigen. »Vor dem Match sah ich dich in ein Gespräch mit einem großen, dunkelhaarigen Mann vertieft«, sagte sie beiläufig zu ihrem Schwager.
»Ich sprach mit so vielen«, entgegnete Lennox. »Kannst du ihn näher beschreiben?«
»Er hat dunkle, stolze Züge und war in Begleitung seiner kleinen Söhne.«
»Ach, das war John Russell, Lord Tavistock. Er sitzt als Abgeordneter seines Distriktes im Unterhaus. Er gilt als begabter Redner, der bei den Parlamentssitzungen immer Eindruck macht. Ein anständiger Bursche mit festen Grundsätzen, der sich mit all seiner Kraft für seine Leute einsetzt.«
Stark und
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