Die unbeugsame Braut
zurückkehrte, lief Georgina ihrem Vater in die Arme. »Ich bin ja so glücklich, dich hier in Edinburgh anzutreffen. Damit bleibt mir die kalte, zugige Burg erspart. Ich …« Sie verstummte jäh, als ihr Blick auf die Frau fiel, die ihren Vater begleitete.
Jean Christie, Alexanders langjährige Geliebte, knickste andeutungsweise. »Lady Georgina.«
Die unscheinbare Jean war die Demut in Person, das genaue Gegenteil der umtriebigen Herzogin, die überall auffiel. Ihr Vater hatte die Geliebte nie versteckt, und Georgina war ihr schon oft begegnet. Heute aber schockierte sie der Anblick, denn die Frau war hochschwanger. O Gott, das wievielte Mal, das vierte oder fünfte?
»Bitte entschuldigen Sie mich, Mylady. Ich weiß, dass Sie beide allein sein wollen«, sagte Jean, ehe sie sich diskret zurückzog.
Georgina verbarg rasch die Enttäuschung, die sie empfand. Als Großsiegelbewahrer von Schottland war der Duke of Gordon oft auf Edinburgh Castle anzutreffen, doch nahm er sicher nicht immer seine Geliebte mit. »Du warst auf der Burg?«, fragte sie.
»Ja, während Jean ihren Arzt konsultierte. Ich habe sie in die Stadt gebracht, solange das Wetter es noch zulässt. Möchtest du nicht mit uns nach Gordon Castle kommen? Wir könnten gemeinsam auf die jährliche Schnepfenjagd gehen.« Er sah, dass sie ein Schaudern unterdrückte. »Das besprechen wir bei Tisch, mein Mädchen. Dann kannst du deinem alten Vater berichten, was dich bedrückt.«
Während Georgina sich Gesicht und Hände wusch und sich umkleidete, spürte sie, dass die Freude darüber, wieder einmal in Schottland zu sein und ihren Vater zu besuchen, einen gehörigen Dämpfer bekommen hatte. Doch als sie sich hinunter zum Dinner begab, war sie fest entschlossen, sich nicht von ihrer Enttäuschung die Laune trüben zu lassen. Erleichtert sah sie, dass sie wenigstens beim Essen nur zu zweit sein würden.
»Na, heute Abend siehst du aber sehr erwachsen aus, Mädel.«
»Letzten Monat bin ich achtzehn geworden.«
»Wirklich? Geburtstage kann ich mir einfach nicht merken.«
Zu viele Kinder von zu vielen Müttern , dachte Georgina. »Ich hatte kürzlich eine Porträtsitzung in meiner Hofrobe.«
»Anstelle eines Geschenkes bezahle ich das Porträt. Wer hat es gemalt?«
»John Hoppner.«
»Das sieht deiner Mutter ähnlich, einen so teuren Maler zu wählen. Hat er seine Sache wenigstens gut gemacht?«
»Ja, das Bild gefällt mir. Ich sehe darauf sehr verführerisch aus.«
»Aber sollte das erste Porträt einer Debütantin nicht dazu dienen, sie jung und unschuldig wirken zu lassen?«, fragte der Herzog augenzwinkernd.
»Das verlangt die Konvention, doch ich stamme schließlich aus einer höchst unkonventionellen Familie, oder etwa nicht?«, sagte sie mit Betonung.
»Zumindest von deiner Mutter-Seite her«, stimmte er zu.
»Erwarte ja nicht, dass ich nicht loyal zu Mutter stehe. Ich liebe euch beide.«
»So sollte es auch sein, meine liebe Tochter. Also, was hat dich so aus der Fassung gebracht, dass du auf und davon nach Schottland bist?«
Wie soll ich das beantworten? Ohne unloyal zu klingen, kann ich doch nicht sagen, dass Mama mich ungerührt auf dem Heiratsmarkt feilbieten und mich an den wichtigsten Titelträger verhökern wird . »Es ist meine letzte Verschnaufpause, ehe die Wintersaison mit allem Trubel einsetzt. Außerdem wollte ich dich bitten, zu meiner Vorstellung bei Hof nach London zu kommen.«
Alexander Gordon runzelte die Stirn. »Tja, das könnte schwierig werden. Jeans Kleines soll Anfang Oktober kommen.«
Die Enttäuschung, die Georgina bislang im Zaum gehalten hatte, überwältigte sie nun. Ihr Mund war wie ausgetrocknet, und sie schluckte schwer. »Ich verstehe«, sagte sie leise.
»Braves Mädchen. Also, wie wär’s, wenn wir morgen im River Esk Forellen angeln? Der Spey ist es nicht, aber immerhin das Beste rund um Edinburgh.«
»Das wäre wundervoll, Papa. Ich nehme meinen Zeichenblock mit.«
»Und ich ziehe meinen Kilt an. Wir brechen zeitig auf … sagen wir um fünf?«
Georgina lächelte. »Ich werde bereit sein. Die Köchin soll uns ein Picknick einpacken.«
Oben sagte sie Helen, dass sie früh zu Bett gehen wolle, damit sie um fünf ausgeschlafen sei. »Hoffentlich hältst du es hier ohne mich aus. Aber Jean Christie ist ja da.«
»Ach, die Frau ist so zurückhaltend, dass sie für mich kein Problem darstellt, mein Lämmchen. Ist sie dir unangenehm?«
»Nein, nicht wirklich. Ich war nur erschrocken, als ich sah,
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