Die Unermesslichkeit
irgendwie nach Panikreaktion aus, als würdest du dich attraktiv machen, damit du nicht auf eine Partnerin beschränkt bist.
Rhoda.
Ernsthaft. Du hast gesagt, du hättest noch zehn gute Jahre. Gut wofür?
Jim stand auf und warf sich das Trainingshandtuch über die Schulter. Rhoda, sagte er. Du bist die einzige Frau, die ich will. Okay?
Sie suchte nach irgendetwas in seinen Augen, einem Zeichen der Lüge, blickte auch auf seinen Mund.
Rhoda, ich liebe dich.
Okay. Sie umarmte ihn. Ich glaube, ich bin einfachimmer noch angespannt wegen Mom. Ich fahre morgen nach Caribou Island. Mark fährt mich.
Bei diesem Wetter? Zur falschen Zeit auf dem Skilak Lake, da kannst du umkommen.
Der Sturm hat sich verzogen. Morgen früh soll es gar keinen Wind mehr geben. Vielleicht nicht mal Schnee.
Du solltest da nicht rausfahren. Warte doch, bis sie zurückkommen. Sie müssen bald zurückkommen, um Vorräte zu holen. Sie sind schon fast eine Woche da.
Zehn Tage.
Na, sag ich doch. Sie kommen bald.
Rhoda mochte nicht darüber reden. Sie ging zum Kühlschrank und holte Zutaten fürs Abendessen heraus. Hähnchen, das aufgebraucht werden musste, Oliven, Feta, rote Zwiebeln. Vielleicht Couscous. Sie hörte Jim keuchen. Schwer zu glauben, dass die neuen Muskeln für sie bestimmt waren.
Kochen half. Besonders in einer solchen Küche. An einem guten Herd, mit sechs Kochplatten. Der Topf mit Couscous in der hinteren Reihe. Dann tat sie Olivenöl in eine Pfanne, gab gehackten Knoblauch dazu, briet die Hähnchenbrüste an. Schnitt rote Zwiebeln. Kochen wirkte beruhigend auf sie. Sie atmete langsamer. Sie war panisch gewesen, ohne es zu wissen. Wohl den ganzen Tag schon.
Hey, rief sie Jim zu.
Ja?
Ich brauche ein Satellitentelefon. Die sind teuer. Aber ich muss mit meiner Mutter sprechen. Das macht mich ganz kirre.
Wie teuer sind die denn?
Tausendfünfhundert, etwas weniger vielleicht. Plus siebenhundertfünfzig für Minuten.
Autsch.
Ich brauche es.
Okay.
Das Hühnchen war braun, fast durch, die roten Zwiebeln glasig. Sie goss die Tomatensoße zu, Oliven und ein wenig Sud, ließ alles aufkochen und schaltete dann zu einem Simmern herunter. Fügte Pfeffer hinzu, weitere Gewürze für griechisches Hühnchen fielen ihr nicht ein. Gab ein wenig Balsamico hinein, dann noch etwas Madeira. Wahrscheinlich unpassend für dieses Essen, aber egal. Betrunkenes Huhn. Sie schenkte sich einen Cabernet ein.
Ich nehme auch gleich einen, sagte Jim. Nur kurz duschen.
Rhoda trank ihren Wein und starrte aufs Huhn, die Oliven dunkel in der Soße. Etwas hatte sich verändert. Die Luft irgendwie kühler vielleicht, dünner, trennender. Nur sie beide hier in diesem Haus. Vielleicht, weil es vorher ein Ziel gegeben hatte. Den Antrag. Rhoda erkannte, dass man sich in der Ehe einsam fühlen mochte. Ein neues Gefühl, das sie weder richtig beschreiben noch greifen konnte. Etwas an den Rändern, etwas, das ihr nicht gefiel. Sie konnte sich lange Phasen vorstellen, in denen sie kaum ein Wort wechselten, nur für sich durchs Haus gingen. Und sie fragte sich, ob Kinder diese Lücke füllen würden. Ein Kind würde neues Augenmerk fordern, einen neuen Mittelpunkt schaffen, indem sie beide sich begegneten. Vielleicht sollte es genau so sein. Man konzentrierte sich aufeinander, bis man beschloss zu heiraten, dann konzentrierte man sich gemeinsam auf jemand anders. Und was passierte, wenn die Kinder groß waren und weggingen? Worauf konzentrierte man sich dann? Etwas Erschreckendes lag in der Vorstellung, kein Augenmerk mehr zu haben. Das eigene Leben konnte nie einfach das sein, was es war. Das war beängstigend. Das wollte keiner.
Am Morgen fuhr Rhoda zum Skilak Lake. Schwerer Himmel, kalt, sechs Grad, allerdings sehr wenig Wind, nur gelegentlich leichter Schnee, ein paar Flocken, dann klarte es wieder auf. Die Bäume weiß mit schwarzen Schatten. Kein Grün. Sie wusste, dass sie noch grün waren, aber sie konnte es nicht sehen. Die Winterfarbpalette von Weiß, Schwarz, Braun und Grau zeigte sich früher als sonst.
Sie wollte Mark anrufen, um sich die Verabredung bestätigen zu lassen, aber das würde er als Quengelei empfinden. Sie bog von der Ringstraße ab zum unteren Campingplatz und sah hinter einer Anhöhe das Wasser, grau mit sehr kleinen Wellen. Fuhr auf einen leeren Parkplatz, keiner da, sah auf die Uhr, ein paar Minuten vor zehn.
Rhoda eingepackt in ihre Winterjacke, Mütze, Handschuhe. Sie trug außerdem lange Unterwäsche und Stiefel. Im Boot auf
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